Mit blauem Daumen zum Erfolg

© ahnungsvoll / Schneekönig / 2014


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Soziale Netzwerke vernetzen eine neue Generation von 
Galeristen und Künstlern
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Von Hubertus J. Schwarz    30. April 2014


Hamburg, Affordable Art Fair – Der Kunstmarkt krankt, Galerien versagen bei der Nachwuchsförderung und treiben die jungen Künstler ins Internet. Dort begegnet sich eine neue Generation und bricht mit alten Werten. Für Constantin von Schröder reicht ein Klick zum Erfolg.

Für Constantin von Schröder beginnt alles mit einem einzigen Klick. Vor etwa einem Jahr führt der in Berlin lebende Künstler den letzten Pinselstrich an seinem Gemälde „Schneekönig“. Zum Abschluss fotografiert er das Bild und lädt es auf seine Facebook-Seite. Das bleibt nicht ohne Folgen. 

Ganz im Geiste der digitalen Generation vernetzt sich Constantin über das Internet. Die meisten fertigen Werke teilt er mit Freunden und Kollegen über soziale Netzwerke. Dadurch generiert er Anregungen und Kritik, der entscheidende Aspekt ist allerdings ein anderer. Gefällt einem Bekannten die Arbeit, genügt ein einfacher Klick auf die „Gefällt mir“-Schaltfläche, schon erscheint das Bild auch auf dessen Profil. Facebook hat mit dieser Funktion mittlerweile einen virtuellen Standard etabliert, in dem gemeinhin Popularität gemessen wird. Für das Jahr 2014 erwartet das Unternehmen über neun Milliarden Klicks auf „Gefällt mir“-Symbole. Darüber hinaus lässt sich die Schaltfläche auf jeder beliebigen Internetseite einbinden. Der azurblaue Daumen mutiert zum Synonym für die Meinungsäußerung im World Wide Web. 

Längst nutzen diesen Trend aufstrebende Künstler, um im Internet Aufmerksamkeit zu provozieren – das ist virales Marketing und dazu kostenfrei.
Im Großstadtdschungel pirschen dagegen nur noch wenige Nachwuchstalente mit ihren Werken auf der Suche nach einem Galeristen, der sie ausstellt. Wer keinen Protegé aufweisen kann, sollte die eigenen Hoffnung nicht allzu euphorisch schüren. Eine Erfahrung, die auch Constantin machen musste: „Die meisten Galerien sehen sich die Mappen nicht einmal mehr an, wenn man ohne eine besondere Empfehlung kommt.“ 

Zur aufgewandten Mühe steht die schwindende Chance, auf diese Weise eine Galerie zu binden, in keinem Verhältnis. Online eröffnen sich dagegen immer neue Möglichkeiten eigene Arbeiten zu präsentieren, deshalb spekuliert das Gros der jungen Künstlerriege über virtuelle Kanäle entdeckt zu werden. Ihr erklärtes Ziel ist es, einen Galeristen zu begeistern und sich mit dem Verkauf der eigenen Kunst zu finanzieren, nicht mehr durch Auftragsarbeiten oder die Porträtmalerei. 

© ahnungavoll / Letzte Pinselstriche am Gemälde „Schneekönig“ / 2014 




© ahnungavoll / Constantin von Schröder während der Affordable Art Fair / 2014 

Constantins „Schneekönig“ haben im Internet nach wenigen Stunden Etliche geteilt. So auch eine Freundin aus Hamburg. Auf ihrer Facebook-Seite entdeckt ihn schließlich Dennis Reinhardt, passionierter Sammler und Inhaber einer jungen Galerie in der Hansestadt. Er findet das Bild großartig, besorgt sich über die gemeinsame Bekannte Constantins Telefonnummer und ruft an: ob Interesse an einer Zusammenarbeit bestehe und man sich einmal treffen könne? Vom letzten Pinselstrich bis zu diesem Angebot aus Hamburg vergehen 24 Stunden. 

Bilder, vom Urheber virtuell beworben oder gar vertrieben und Galeristen, die ihre Schützlinge über Netzwerke wie Instagram oder Facebook rekrutieren. Für altvordere Kunsthändler klingt das nach Teufelswerk. Aus ihrem gesonderten Blickwinkel vielleicht nicht gänzlich zu unrecht. Etablierte Galerien umwerben jede für sich einen gesetzten, vergleichsweise selten fluktuierenden Kundenstamm. Die Medien stilisieren den Kunstmarkt nach wie vor gerne als elitären Club, mit bekannten Akteuren und hohen Einstiegshürden. Der Handel um die „Blue Chips“ der Szene, wie Jeff Koons, Jasper Johns oder Gerhard Richter, bestimmt die Branche und Berichterstattung. Alteingesessene Galeristen fördern diese Assoziationen, liegt es doch in ihrem Interesse, den Verkaufswert der Kunstwerke zulasten des Angebotes hochzuhalten – Kunst soll und muss ein Luxusgut bleiben. Nicht zuletzt spielt das Investoren in die Hände, die Kunst als reine Wertanlage begreifen und froh sind, um jeden Wucher. 

Dieser krasse Fokus auf den Handel mit Schwergewichten und dem konservativen Bestand alter Meister geht zulasten der weniger Bekannten. Nachwuchsförderung sieht anders aus. Und doch wird dem Kunstmarkt als solchem mit diesem Selbstverständnis nicht Genüge getan. Auktionen bei Sotheby’s und Co. bilden nur die glänzende Spitze des Eisberges, der Großteil treibt unter dem Wahrnehmungshorizont der breiten Masse. 

Alternative Veranstaltungen brechen inzwischen bewusst mit dieser Tradition und versuchen Kunst auch für Menschen mit durchschnittlichem Jahreseinkommen präsent und leistbar zu machen. Rund um den Globus lockt beispielsweise die Affordable Art Fair mehr und mehr Besucher. Sie macht ihren Titel selbst zum Programm: Kein Kunstwerk kostet hier mehr als 5.000 Euro. „Peanuts!“, tönen große Galerien und strafen das Event mit Nichtachtung, als echte Chance versteht es die junge Generation. 

Das sind Künstler wie Constantin von Schröder, die konsequent neue Medien nutzen, um sich zu etablieren. Maßgeblich zum Erfolg dieser Methoden trägt jedoch auch ein frischer Jahrgang von Galeristen und Kunstbezogenen im weitesten Sinne bei. Ohne ihr vermehrtes Interesse an den Binnenmärkten der Kunst und einer Hinwendung zu zeitgemäßen Vermarktungsformen wäre das Engagement im Internet vergebliche Liebesmüh. Beide Gruppen gehen erst virtuell ihre symbiotische Paarbeziehung ein. 

So kommt Constantin, etwa einen Monat nach dem Treffen mit Dennis Reinhardt, zu seiner ersten Vernissage in der Hamburger Galerie CCA&A. Für den Künstler eine Premiere. Im Herbst 2013 folgt die Affordable Art Fair und auch auf dem Budapest Art Market sind seine Werke vertreten. Jedes Event für sich wird intensiv über die sozialen Netzwerke beworben.

Inzwischen hat Constantin in Dennis Reinhardt einen fixen Galeristen und dazu einen vollen Terminkalender. Mit der Art Innsbruck stand nun im Februar schon die nächste Ausstellung auf dem Programm. Der Künstler ist auf dem besten Wege, sich einen Namen zu machen. Dank Social Media und einem neuen Verständnis des Kunstmarktes, das sich leise aber stetig fortpflanzt. Und der Schneekönig, der hängt inzwischen beim ehemaligen Chefredakteur der BILD Zeitung, Udo Röbel.


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