Sprache im Off-Text

Eine Sprachanalyse der Beitragsmoderationen in deutschen Nachrichtensendungen über Gewaltkriminalität

1. Einleitung
Neben der visuellen Darstellung von Beiträgen in einer Nachrichtensendung trägt vor allem deren Off-Text dazu bei, das gezeigte Ereignis für den Zuschauer nachvollziehbar zu dokumentieren. Die primäre Aufgabe dieser Beitragsmoderation ist es, die Bilder in den jeweiligen Kontext einzuordnen und dem Fernsehpublikum zusätzliche Informationen bereitzustellen (Bolz 2007. S. 38-42).Diese Projektarbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob deutsche Nachrichtensendungen eine unterschiedliche Sprache verwenden. Untersucht wird dies am Beispiel der Beitragsmoderationen bei Gewaltverbrechen innerhalb Deutschlands.

1.1. Vorgehen. Zunächst wurde eine thematische Einteilung der Sendungen, ihrer Ausgaben und deren Beiträge vorgenommen. Daraufhin wurde ein Sichtungskatalog nach verschiedenen Messkriterien der Sprachanalyse erstellt. Anhand dieses Rasters konnten die verschiedenen Formate unter gleichen Maßstäben untersucht werden. Nach der erfolgreichen Sichtung begann die Gruppierung der gesammelten Daten. Nach dem Schema der Sprachanalyse wurde so eine Beantwortung der gestellten Hypothese ermöglicht. Diese Ergebnisse wurden im Abschluss der Arbeit interpretiert und im Hinblick auf die Entwicklung der deutschen Nachrichtensender betrachtet. Die Tendenz der Fernsehlandschaft zu einer immer emotionalisierteren Form der Berichterstattung, wie sie verschiedene Medientheoretiker feststellen (Bolz 2007. S. 38-50), war Anstoß dieser Forschungsarbeit.


2. Definitionen der behandelten Begriffe
Für die sinnvolle Bearbeitung der Forschungsfrage empfiehlt sich zunächst eine Definition der zentral verhandelten Begrifflichkeiten. 

• Nachrichtensendungen deutscher Fernsehsender
Nachrichtensendungen zählen zu den beliebtesten Formaten im deutschen Fernsehen. Ihre vornehmliche Aufgabe ist es, den Zuschauer über Ereignisse des Weltgeschehens zu informieren. Die Definition des Berichterstattungsradius kann hierbei unterschiede zwischen den einzelnen Sendungen aufweisen (Ruhrmann, u.a. 2001. S. 8-10.).

• Beitragsmoderation / Off-Text-Moderation
Innerhalb einer Nachrichtensendung werden, zumeist von den Korrespondenten aus den jeweiligen Ereignisgebieten, Beiträge eingespielt. Diese werden durch eine Off- Stimme, die Beitragsmoderation, illustriert. Die Leistung des Off-Sprechers begründet sich auf ein dem Thema angemessenes Transportieren der Inhalte bzw. der gewünschten Tonalität (Wunderlich 2009. S. 1-4.).

• Kriterien der Sprachanalyse
Für die Analyse der Sprachmittel kann sowohl die semantische, als auch die syntaktische Ebene Verwendung finden. Bei der Betrachtung der Semantik werden die Sprachebene, Wortwahl und rhetorische Mittel untersucht. Die Syntax befasst sich mit Satzstrukturen und Satzarten. Sprachanalysen dienen dazu, die Funktionen der im Text verwendeten Mittel zu dechiffrieren und damit auf die Intentionen des Autors rückschließen zu können (Herberger 2007. S. 1.)

2.1. Hypothese. Im Zentrum der Forschungsarbeit steht die Frage, ob sich die Off-Texte der Formate öffentlich-rechtlicher Sender von ihren privatrechtlichen Pendants unterscheiden. Zur Klärung dieser Problematik wird untersucht, woran sich Unterschiede in der Off- Text-Moderation festmachen lassen, inwieweit sich die verschiedenen Formate darin unterscheiden und welche Auswirkungen dies auf die Berichterstattung hat. Dazu dient die folgende Hypothese als Leitmotiv der Untersuchung:Private Sender verwenden in ihrer Beitragsmoderation von Nachrichten über Gewaltverbrechen andere Sprachmittel als öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten.


3. Sprachliche Messkriterien
Zur Analyse der Sprache innerhalb der Beitragsmoderation orientiert sich die Auswertung an den zwei Leitfragen zur Textanalyse: Wie hat der Off-Text-Sprecher Gedanken, Inhalte und Absichten sprachlich umgesetzt und welche Wirkung geht von diesen Gestaltungsmitteln aus (BfBN 2014. S. 4.). Dazu kam folgender Fragenkatalog für die Analyse der Wortwahl zum Einsatz:

• Häufung. Werden bestimmte Wortarten besonders häufig verwendet? Besteht beispielsweiseeine Häufig bei der Verwendung von Verben, Substantiven oder Adjektiven?• Tabuisierung und EuphemismenUmschreibt die Beitragsmoderation Begriffe in auffälliger Weise oder vermeidet siebestimmte Formulierungen? Insbesondere im Hinblick auf die Beschreibung der Gewalt.

• Metaphern und Vergleiche. Enthält der Text Wörter und Ausdrücke, die in einem übertragenen Sinn verstandenwerden können. Beispielsweise durch die Umschreibung der Beteiligten Personen und ihrer sozialdemografischen Eigenschaften.

• Konnotation. Finden sich innerhalb der Off-Text-Moderation Wörter und Wendungen verwendet,die mit anderen Vorstellungen assoziiert bzw. konnotiert werden können? Etwa in Form von Assoziationen zu vergleichbaren Vorkommnissen.

• Stereotype und Wertungen. Inwiefern werden Schlagwörter, Leerformeln oder sonstige Stereotype verwendetund in welcher Anzahl findet dies statt?

• Emotionalisierung. Werden bestimmte Begriffe in einen gesonderten Bedeutungskontext gestellt, unddadurch, emotional eingefärbt? Etwa durch Wortdopplungen oder eine überdurchschnittliche Beschreibung bestimmter Täter- oder Opferprofile.


4. Gruppierung
Da sich die ausgewerteten Nachrichtensendungen in ihrer Themenauswahl teilweise differenzieren, empfiehlt sich zunächst die Unterteilung der transkribierten Ausgaben in Gruppen, innerhalb derer die unterschiedlichen Formate über die gleiche Thematik berichten. Dies gewährleistet eine ausgeglichene Basis für die Gegenüberstellung der Beitragsmoderationen. Hierbei ist festzustellen, dass die größte Überschneidung von Beiträgen über Gewaltkriminalität zwischen Mai und Juni 2012 stattfand.

Die folgende Grafik illustriert das gesamte Volumen der ausgewerteten Ausgaben im Vergleich zu den darin gefundenen Beiträgen über Gewaltkriminalität in Deutschland. Der Gesamtprozentanteil ist der Durchschnittswert aller Prozentanteile, sodass alle Sendungen gleichermaßen einfließen.

Verhältnis untersuchter Ausgaben zu gefundenen Beträgen


4.1. Einteilung nach thematischer Vorgabe. Diese insgesamt 135 vorliegenden Beiträge über Gewaltkriminalität innerhalb Deutschlands lassen sich so in folgende sechs Gruppen mit der größten, thematischen Überschneidung aufspalten.

1. Kindsmord in Emden. Am 24. März 2012 wird ein elfjähriges Mädchen in Emder sexuell misshandelt und ermordet. Nach der Festnahme eines Unbeteiligten kommt es zu Lynchaufrufen. Die Polizeistellen räumen in der Folge mehrere Ermittlungsversäumnisse ein. Am 30. März wird der 18-jährige Täter gefasst (Baumann 2012. S. 1,).

2. Urteil im Prozess um U-Bahn Schlägerei. Auf der Flucht aus einer Berliner U-Bahn Station vor einer Auseinandersetzung mit zwei Männern im September 2011, stirbt das 23-jährige Opfer nach einer Kollision mit einem Auto. Im darauf folgenden Prozess werden die Schläger im März 2012 zu Bewährungsstrafen verurteilt (bef/AFP/dpa 2012. S. 1.).

3. Vergewaltigung an Berliner Grundschule. Am ersten März 2012 drang ein 30-jähriger Mann in eine Berliner Grundschule ein. Dort zwang er ein 8-jähriges Mädchen auf eine der Schultoiletten, um es dort zu bedrohen und sexuell zu missbrauchen. Der Täter konnte Ende März in seiner Berliner Wohnung gefasst werden. (LG Berlin 2012. S. 1.).

4. Urteil im Prozess um Doppelmord in Krailling. Im März 2011 tötet ein 52-Jähriger in Krailling bei München seine beiden Nichten. Der Schuldspruch des Landesgerichts München im April 2012 verurteilt den Täter zu lebenslanger Haft (wit/dpa 2012. S. 1.).

5. Gewaltbereite Salafisten in Bon. nIn der Folge von gewaltsamen Ausschreitungen salafistischer Gruppierungen auf einer Bonner Demonstration erlässt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Mai 2012 ein Vereinsverbot gegen die Gruppe „Millatu Ibrahim“. Daraufhin leiten die Bundesbehörden eine Großrazzia gegen die Salafisten ein (amz/dpa/AFP 2013. S. 1.).

6. Politisch motivierte Gewalttaten 2011. Nach Statistiken des Bundesinnenministeriums, die im Mai 2012 veröffentlicht wurde, stieg die Anzahl der politisch motivierten Gewalttaten in Deutschland im Jahre 2011 um 17.9% im Vergleich zum Vorjahr (BMdI 2012. S. 1-10.).

Die verbleibenden Ereignisse konnten nicht mehr als die Berichterstattung von höchstens drei verschiedenen Nachrichtenformaten verzeichnen. Um den Anspruch an vergleichbare Themen zu gewährleisten, wurden diese Gruppen nicht in erweiterte Sprachanalyse aufgenommen und nur abgleichend behandelt.


5. Untersuchungsgegenstand
Im Vorfeld dieser Projektarbeit wurden acht deutsche Nachrichtensendungen von den Studierenden des Journalistik Studienganges der Macromedia Hochschule am Standort Hamburg ausgewertet. Hierbei wurden zwei Nachrichtenformate der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Tagesschau der ARD und die Sendung heute des ZDF untersucht. Auf Seite der privatrechtlichen Sender waren die sechs Formate RTL aktuell, Sat.1 News, Newstime von ProSieben, sowie die Sendungen Vox Nachrichten, RTL2 News und die K1 Nachrichten von Kabel eins, Gegenstand der Auswertung.

Gesichtet wurden dabei insgesamt 249 Ausgaben, die im Zeitraum vom März bis einschließlich Juni 2012 gesendet wurden. Darunter fanden sich 135 Beiträge über Gewaltkriminalität in Deutschland. Dies macht einen Prozentanteil von 8,1 des gesendeten Nachrichtenspektrums aller Formate aus (Hestermann 2014, S. 20.). Daraus ergab sich folgende prozentuale Aufteilung an Berichten über Gewaltverbrechen:

Prozentuale Verteilung


6. Auswertung
Aus der Auswertung der Transkripte ergibt sich, dass über die sechs betrachteten Ereignisse die Nachrichtenformate K1 Nachrichten von Kabel eins, sowie die Prosieben News bzw. Newstime von Prosieben, und die Sat.1 News in vollem Umfang berichteten. Darauf folgen, mit jeweils fünf von sechs Bezugnahmen, die Sendungen RTL aktuell, sowie die RTL2 News und die Vox Nachrichten. Mit ebenfalls fünf aufgenommenen Themen folgt darauf die heute Sendung vom ZDF. Die Tagesschau der ARD steht dahinter mit zwei Berichterstattungen.

Verteilung der Berichterstattung
Die aus der Tabelle ersichtlichen „Teilnahmen an der Berichterstattung“ findet sich in der folgenden Grafik noch einmal in das Verhältnis zu der jeweils ausgewerteten Menge gesetzt. Höchstwerte der analysierten Beitragsmoderationen waren dabei sieben pro Ereignis und Format, der Mindestwert war ein Off-Text.

Verhältnis Formate zu Ereignissen

6.1. Sprachanalytische Auswertung. In der Folge werden die verhandelten Auswertungen jeweils aufgezeigt. Die Gruppierung folgt dabei dem beschriebenen Schema der möglichst übereinstimmenden Berichterstattung aller Nachrichtenformate. Genannt werden dabei die aus dem Durchschnitt herausragenden Auffälligkeiten innerhalb der Beitragsmoderationen pro Ereignis.

1. Kindsmord in Emden. In der folgenden Tabelle wird zunächst der Verlauf der Berichterstattung und der teilnehmenden Nachrichtenformate über den Kindsmord in Emden deutlich.

Berichterstattungsverlauf über Kindsmord von Emden
 
Analyse der Beitragsmoderation: Der Kindsmord in Emden wurde von allen acht Nachrichtenformaten aufgenommen. Dabei sendete die Tageschau erst nach Abschluss der Ermittlungen und dem Feststehen des Täters. Im Zentrum standen dabei die Ermittlungspannen und die Debatte um Polizeiversagen während der Aufklärung und im Vorfeld des Verbrechens.

Im Verlauf der Berichterstattung tendieren die anderen Medien dazu, noch nicht bestätigte Fakten als gegeben zu implizieren. So wird bereits vor der ersten Pressekonferenz von Mord und einem Sexualverbrechen gesprochen. Auch die Videoaufnahme des Täters wird von vornherein als „den Mörder zeigend“ dokumentiert. In diesem Zusammenhang findet eine Vorverurteilung des ersten Festgenommenen durch die Off-Texte statt. Die Beschreibung des Opfers als „kleine Lena“ und Details des Tatortes führen zu einer emotionalisierten Beitragsmoderation. So etwa durch die heute Nachrichten „Getrocknete Blutspuren als grausiges Detail“11oder „Leiche teilweise entkleidet“ bei RTL aktuell. Eine weitere Häufung betrifft die Beschreibung der Bevölkerungsstimmung in Emden. Wiederholt ist von „Einer Stadt in Angst“ die Rede. Diese Tendenzen betreffen alle berichtenden Nachrichtenformate abgesehen von der Tagesschau, wobei die RTL Aktuell Nachrichten die stärkste Prägung im Bezug auf wertende Inhalte aufweisen. (vgl. Codebuch-Sprachanalyse 1).

2. Prozess U-Bahn Schlägerei. Vor der inhaltlichen Analyse wird in der folgenden Tabelle zunächst die Anzahl der berichterstattenden Nachrichtenformate deutlich.

Berichterstattung im Prozess über die U-Bahn Schlägerei
 
Analyse der Beitragsmoderation: Die Berichterstattung zu diesem Ereignis beschränkt sich auf die Sender RTL, RTL2, Sat.1, Vox Nachrichten, K1 Nachrichten und Prosieben Newstime. Dabei implizieren die Beitragsmoderationen der Sat.1 News, K1 Nachrichten und Prosieben Newstime die Darstellung der „Hetzjagd“ als Tatsache. Die Täter werden dabei beschrieben, wie sie das Opfer „in den Tod getrieben“ haben. Im Gegensatz zu der Darstellung des Richterbeschlusses als bloße Äußerung „Doch das Gericht spricht von Körperverletzung.“. Gleichbleibend ist die Nennung des Opfers wie der beiden Töter mit Vornamen, dem Anfangsinitial des Nachnamens und ihrem Alter.

Die Berichterstattung des ZDF begrenzte sich auf einen Beitrag mit Meldungs- Charakter, in dem das Urteil und der Tathergang beschrieben werden. Dem voraus geht die Feststellung „Es war keine Hetzjagd“. (vgl. Codebuch-Sprachanalyse 2).

3. Vergewaltigung an Berliner Grundschule. Vor der inhaltlichen Analyse wird in der folgenden Tabelle zunächst die Anzahl der berichterstattenden Nachrichtenformate deutlich.

Berichterstattung über die Vergewaltigung an Berliner Grundschule
 
Analyse der Beitragsmoderation: Zu bemerken ist die wiederholte Konnotation mit vermeintlich „amerikanischen Verhältnissen“ die nach Darstellung der K1 Nachrichten, Prosieben Newstime, Vox Nachrichten und der Sat.1 News folgend beschrieben werden: „Polizei vor der Schule, verschlossene Eingänge, Kinder nur noch in Begleitung von Erwachsenen. Ist das die Zukunft?“, „amerikanische Verhältnisse mit Metalldetektoren und Sicherheitsdienst.“ Mehrfach wird auch die Fahndung der Polizeibehörden wertend beschrieben: „Ein schneller Fahndungserfolg der Polizei“, „Obwohl die Ermittler ... und über detaillierte Zeugenaussagen verfügen, haben sie ihn noch immer nicht gefunden.“ Eine Berichterstattung durch die öffentlich rechtlichen Nachrichtensender Tagesschau und heute fand nicht statt (vgl. Codebuch-Sprachanalyse 3).

4. Urteil im Prozess um Doppelmord in Krailling.Vor der inhaltlichen Analyse wird in der folgenden Tabelle zunächst die Anzahl der berichterstattenden Nachrichtenformate deutlich.

Berichterstattung im Prozess um den Doppelmord in Krailling
 
Analyse der Beitragsmoderation: Die Beitragsmoderation des RTL, VOX und Sat.1 berichten vermehrt über Details der Tat. Dies geschieht durch die Beschreibung des Tatherganges „Mit Seil und Hantelstange und Messer tötete der 51-Jährige (...) seine beiden Nichten Sharon Chiara“. Auch die Opfer erfahren eine nähere Beschreibung „(...) übel zugerichteten Leichen von Chiara und Sharon (...) übersäht mit Messerstichen, stranguliert, erschlagen.“ Dies hat sowohl wertenden, als auch emotionalisierenden Charakter. Auch ist eine Häufung der Adjektive zur Beschreibung des Täters zu verzeichnen „Hoch verschuldet“, „vierfacher V ater“, „schwere V orwürfe“, „erdrückende Beweislast“. Dagegen enthalten sich die Beitragsmoderation von Prosieben und K1 dieser Beschreibungen. Die heute Nachrichten des ZDF impliziert durch die Beschreibung von vermeintlichen Verhaltensweisen und Gefühlen des Angeklagten, dessen Emotionen. (vgl. Codebuch-Sprachanalyse 4).

5. Gewaltbereite Salafisten in Bonn. Vor der inhaltlichen Analyse wird in der folgenden Tabelle zunächst die Anzahl der berichterstattenden Nachrichtenformate deutlich.

Berichterstattung um gewaltbereite Salafisten in Bonn
 
Analyse der Beitragsmoderation: Die Nachrichtensendungen des ARD und ZDF beließen die Betrachtung der Ereignisse bei vergleichsweise kurzen Meldungen, im Gegensatz zu den berichtenden Sendungen der privatrechtlichen Formate, die neben einer Meldung am Tag des Geschehens auch die Nachwirkungen der Ereignisse in eigenständigen Beiträgen aufnahmen. Unterschiede wurden dabei vor allem in der Bezeichnung der die Ausschreitungen provozierenden „Mohammed-Karikaturen“ deutlich.

Die Tagesschau benutzte hierbei den verstärkenden Begriff „islamfeindliche14Karikaturen“ im Gegensatz zu den anderen Sendungen, die von „Mohammed- karikaturen“ oder „Islamkritischen-Karikaturen“ sprachen. Daneben prägte die deckungsgleiche Beitragsmoderation von Kabel eins, Prosieben und Sat.1 die proislamistische Konfliktpartei als „ (...) die Salafisten wollen die Welt mit Gewalt bekehren, moderate islamische Regierungen stürzen, die Scharia einführen, Frauen unterdrücken.“ (vgl. Codebuch-Sprachanalyse 5).

7. Politisch motivierte Gewalttaten 2011. Vor der inhaltlichen Analyse wird in der folgenden Tabelle zunächst die Anzahl der berichterstattenden Nachrichtenformate deutlich. 

Berichterstattung über politisch motivierter Gewalt 2011
 
Analyse der Beitragsmoderation: Im Bezug auf den Vergleich der Beitragsmoderationen öffentlich-rechtlicher Sender, hier vertreten durch die heute Nachrichten des ZDF, und den Off-Texten der Privatsender tritt hier eine vergleichseiwese große Diskrepanz auf.

Das ZDF-Studio beschränkt sich auf die Verlesung der Studienresultate in Zahlenform. Ein Bezug zu aktuellen Geschehnissen wird nicht hergestellt. Die genaue Differenzierung wird nur durch die Nennung des rechtsextremen Milieus genannt. Dem entgegen steht die Berichterstattung der Sender Sat.1, Prosieben und Kabel eins. Eine Häufung bei der Verwendung der Adjektive, „besonders besorgniserregend“, „brutale Gewalt“, „besonders erschütternd“ „äußerst brutal“ zur Beschreibung der Forschungsergebnisse und der darin beschriebenen Gewalt, findet statt. Auch findet sich eine stereotype Bezugnahme auf linke, sowie Rechtsextreme „Exzesse“ durch Begriffe wie „Hassmorde“ oder „Schlägertrupps“. (vgl. Codebuch- Sprachanalyse 6).

7. Interpretation der Auswertung
Es lässt sich Themen übergreifend feststellen, dass sich die Beitragsmoderationen der Nachrichtensendungen des ZDF und ARD tendenziell derselben Sprachmittel bedienen, wie die Formate der Privatsender. Sie werden jedoch in vergleichsweise geringerem Umfang eingesetzt. Wertende Inhalte und Emotionalisierungen, stereotype Begriffe und das Implizieren von bestimmten Meinungen sind die Ausnahme der Regel, wohingegen die Ausgaben der privatrechtlichen Sendungen, verstärkt auf die emotional konnotierten Beschreibungen von Tatorten, Opfern und Tätern setzen. Dies geschieht durch die häufige Verwendung von Adjektiven und wertenden Füllworten. Auch synonyme Beschreibungen, mit einer negativen Bedeutung kommen vermehrt bei privatrechtlichen Nachrichtensendungen vor.

Aus den gesammelten Werten lässt sich folgende prozentuale Auswertung der Sprachanalyse erstellen, angewendet auf die Beitragsmoderation der acht verglichenen Nachrichtenformate:

Prozentuale Auswertung der Sprachanalyse
 
7.1. Thesenabgleich. Daraus lässt sich folgern, dass die aufgestellte These, nach der die öffentlich- rechtlichen Fernsehsender eine differenzierte Sprache in ihren Beitragsmoderationen einsetzen, überdurchschnittlich oft, jedoch nicht in vollem Umfang zutrifft.




8. Quellen und Literaturverzeichnis

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