Medienhölle

© ahnugnsvoll / Medienhölle / 2011

 

 

 

Die vierte Gewalt als schöne Sirene 

der digitalen Untiefen

 

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Von Hubertus J. Schwarz   10. Februar 2011



Graz, Steiermark – In einer Zeit, in der die Medien und ihre Vertreter als vierte Gewalt im Staat deklariert werden und die Menschen sich selber tagtäglich überflutet finden mit Reizen, Informationen und sonstigen Eindrücken tauchen vermehrt Begriffe auf die diese neuen Werte binden sollen. Medienhölle ist einer davon. Und auch wenn dieser Ausdruck nur abstrakt umreißt, was er in einem erklären soll, so ist eines dennoch klar. Sowohl in einer negativen als auch positiven Auslegung ist die Medienhölle doch ein Phänomen dieser Zeit. Insbesondere der letzten beiden Jahrzehnte.

Medienhölle: Das ist morgen aufstehen, den Fernseher anmachen und sich debil und schlaftrunken von den unglaublichen Sensationen, welche die vergangene Nacht brachte, informieren lassen. Dann alle ‚breaking news’ ansehen, die man als SMS bekommen und noch im Schlaf sträflich ignoriert hat. Während man sich dann auf dem Weg zur Arbeit von unzähligen Reklametafeln optisch angeschrien sieht und am Kiosk noch die Auswahl zwischen etlichen gehefteten Baumleichen treffen muss. Vielleicht fährt man auch mit dem Auto und lässt sich von überproportional motivierten Radiomoderatoren den Sinn des Lebens jeden Tag aufs Neue erklären. Die Welt ist grausam, besonders morgens und besonders wenn einem dies ungewollt über das Radio suggeriert wird. Diese Erkenntnis zieht sich dann quälend durch den Tag und wird ebenso begleitet durch unzählige Reize, die zwar nur noch oberflächliche Wunden in unseren abgestumpften, gemarterten Geistern reißen, nichtsdestotrotz aber brennen wie Wespenstiche ... 

Ein unbedarfter und medial unberührter Menschen aus einer Zeit vor Internet, Fernsehen, Radio und Massenmedien schlechthin, hätte solch ein Tag sabbernd in einer Gummizelle beendet. Reizüberflutung scheint spätestens seit dem Aufkommen virtueller Medien zum guten Ton in unserer Informationsgesellschaft zu gehören. So überdauern wir den Tag mit manischen Blicken auf Handy und Mailserver, unterbrochen nur ab und zu durch Arbeit oder Beischlaf eines entfernt bekannten Lebensgefährten, den man sich in irgendeinem Chatroom angelacht haben muss. Wer sich nicht an diesem Lebensstandard beteiligen will, wird zwangsinformiert. Allein in Deutschland gibt es dafür 394 Zeitungen, 2042 Zeitschriften und 80 Kundenmedien. (Quelle: IVW 4. Quartal 2010). Der Bundestag prüft endsprechende Gesetzesvorlagen.

© ahnungsvoll / Medienhölle II Graz / 2011
Medienhölle: Das ist jedoch auch, aufzustehen und gleich dem Ehepartner am anderen Ende der Welt ‚guten Morgen’ wünschen zu können. Sei es über einen Videochat im Internet oder das Telefon. Sofort virtuell oder durch Abonnements über das Weltgeschehen informiert zu sein. Alles nachsehen und im Netz suchen zu können. Nicht mehr nur physisch, sondern auch im Geiste mobil zu sein. Das überall und zu jeder Zeit. Sei es am Straßenrand mit dem Handy den ADAC zu rufen, in einer fremden Stadt eine Stadtkarte herunter zu laden oder auf Reisen mit dem Laptop im Internet zu surfen. Medienhölle kann alles zu jeder Zeit sein und vermitteln. Medienhölle gibt und nimmt im Gegenzug nur genau die Zeit, die man bereit ist, für sie zu verwenden. Das, was sie gibt, ist dabei aber eines der wertvollsten Güter unserer Tage: Information.

Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, wie viel er von dieser Art von Hölle zulässt. Dabei gilt es, die Standfestigkeit aufbringen dies auch durchzustehen und es gleichsam mit seiner Überzeugung in Einklang bringen zu können. Entscheidet ist nicht ob man ‚Medienhölle‘ bei sich selber zulässt, sondern auf welche Weiße man die tut.

© ahnungsvoll / Medienhölle III Graz / 2011
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