Bergsteigen in Florenz

© ahnungsvoll / Florenz / 2009

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Von Höhen und noch mehr Höhen und beeindruckenden Tiefen in Michelangelos Domäne

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Von Hubertus J. Schwarz   22. Mai 2011



Florenz, Italien – Ah Firenze, Sei mir Freund und Leidgenosse wenn ich deinen Gipfel, welcher in höchster Vollendung begriffen, ersteige.

Man steht bang, klamm und in Schweiß gebadet zitternd auf dem kaum einen Gedanken breiten Sims, der da solch unendlich schreckliche Längen direkt in himmlische Hölle reicht. Sehe kaum auf und wenn, dann blendet mich das Schaffen der Meister. Nirgends sonst wart mir das Pantheon je so nah wie hier in diesem kläglichst Augenblicke. Noch lebe ich, wenn auch kaum, Gott allein wird entscheiden, wann sein Sohn mich richten darf und wird. 

Nicht das mein Gottvertrauen bröckeln würde oder ich dessen vollkommenste Weisheit in Frage stelle, nein, zu solch Häresie lässt sich ein halbalpiner Katholik nicht verleiten. Nur hier doch mein Appell an unsren lieben Schöpfer, wen sie dies lesen, bitte lassen sie nicht diese wunderbare Kuppel über oder gar unter mir zusammenklappen, ich dank recht herzlich.

Womit man sich auch der Diskussion stellen könnte in wieweit Gott den mit der Zeit geht, ist er dort oben gut vernetzt, hat Gott W-Lan und gönnt er seinem eingeborenen Sohn, unserem Herrn eine Flatrate ins Ausland? Sinnvoll wäre dies gewiss. So ich also das himmlisch gekuppelt Firmament nicht gebühren, geschweige den zur Neige be- und achten könnend, treiben mich meine Füße und die ungebührlichen Rufe, des nach Blut und Aussicht gierenden Pöbels hinter mir, weiter den Dom hinauf. Schon mal von Schweizern eine Domkuppel hinaufgejagt worden? Ich empfehl es nicht.

Obig angelangt, verkante ich meine Krallen in der Innenwand des Kuppelaufsatzes und lausch dem Flugwind Gefallender, nicht Engel doch aber Kaugummis, was mindestens genauso spektakulär ist.
 Später dann, um einige Lebensstunden ärmer und nervenschwächer wieder auf normal null gelangt geht es fort. Habe zum Dank und höheren Ehre Gottes, der Stadt einen weiteren Dom gestiftet. Für alle noch zukünftig Reisenden, es ist der weiße mit der großen Kuppel.

© ahnungsvoll / Florenz / 2009
Nun folgt, Bergsteigen. Wobei es mir jetzt und später in meinem spinnen bewährten Bette immer noch ein Rätsel sein wird wo dieser so urplötzlich her kam. Wir hören, einen klitzekleinen, kläglichen Mönchshaufen, zu meiner ungeheuren Bestürzung, Tonsur losen, singen und die Messe zelebrieren.

Beim Warten auf den Bus, zählt man manisch die Kugel der Stadt, welche doch reichlich vorhanden. Sechs Medici dort, hier noch ein Paar, Pillen über Pillen. Und so viele Möglichkeiten dieses zu interpretieren: War es nun der Riese Mogullo den der erste Medici im selbig genannten Tal erschlug und so die Lombarden für Kaiser Karl vertrieb, oder aber rettete dieser Mann den, kürzlich durch Papst Leo III. Gekrönten, Kaiser mit seinem Schild bloß vor einer Horde Barbaren? Durfte ob dieser Tat die Dellen in seinem Schutzschild fortan als Wappen tragen. 

Oder aber waren die frühen Medici, banal, nur einfach Bänker die irgendwann ihr täglich Werk, also Münzen in das Abbild aufnahmen? Faktum ist, das Florenz erst durch und mit dieser Familie erblühte und man ihre, zwar vergilbte und oft unscheinbare, Einflussname noch an vielerlei Orten erkennen kann.

Später dann, es müssen so 15 bis 20 Stunden vergangen sein. Werden wir auf höchst verbotene Art und Weise, gleich einem Sklaventransport hinter zugezogenen, mattgrünen Vorhängen aus der Stadt befreit.

Tage dannach, spricht auch David unter mediciöser Kuppel seine steingewordene Geschichte, ragt mächtig im Körper und doch zitternd im Geiste vor uns auf. Überschattet gänzlich die Nägel durchbohrten Büsten der Nymphen und Kinder späterer Tage. Weiter steht in seinem Schatten kunterbuntes Kult Geschmiss, Warhol neben Lisa Lyon. Sehe einer Frau beim bekleiden zu und stoße mich an ihr, zwanzig Jahre altes Video, Kunst? Anders spannt mich Bildnis Schwarzer, präziser, ihrer Muskeln auf weißem Grund. Dynamik in ihrer reinsten Form. Wer geht bewegt und Bewegung geht, voran, zurück und ist immerdar im Fluss, was ja ihrer Natur entspricht. 

Alles andere wäre gemütlich aber wenig aufregend und ein Heute oder Morgen ohne Aufregung hieße Stagnation.
 Schweife noch über blutige Heiländer um mich, früh gehärtet von zu vielen Computerspielen und Nachrichten in der Jugend, ungerührt Wollüstigerem zuzuwenden. Man schließt Wetten, Wetten über die Schnelligkeit der hiesigen Gesetzeshüter und deren argen Konkurrenten, illegal agierenden Straßenhändlern. 

Von einem Moment zum anderen sind diese Verkaufsstände eingepackt und die Männer rennen, als würde die häusliche Matrone mit dem Nudelholz hinter ihnen her sein, über die Piazza davon. Erstaunlich wie rasch sich Aufdringlichkeit in Fluchtinstinkt verwandeln kann.

Waren noch im Pitti Palast, einst war dieses Grundstück Eigentum der reichen Kaufmannsfamilie Pitti, bis meine geehrten Medici deren Sitz aufkauften und zu heutiger Pracht, dem Palast ausbauten. Barocker Prunk in all seinem Überschwang, unglaublich schön, unglaublich kunstvoll, unglaublich schwer. Schwer und nicht leicht zu verdauen sind die großen Residenzsäle der ehemaligen Herrscher der Stadt. Gesättigt von solch schwerer Kost geht es schließlich davon in immer kältere Tage hinein.



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