Apokalyptisch im Untergrund

© 4A Games /  Metro: Last Night / 2013

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 Ein Rückblick in die Moskauer Metro und auf einen düsteren Meistertitel
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Von Hubertus J. Schwarz   5. Dezember 2013

Berlin, Deutschland – Das Entwicklerstudio 4A Games hat mit Metro: Last Night einen zwielichtigen Ego-Shooter vorgelegt, dem man sich trotz allem schwer entziehen kann. Das Spiel im Rückblick. 

ANNO 2034. Im ehemaligen Russland. Moskau. Der dritte Weltkrieg hat die Menschheit an den Abgrund getrieben. Durch atomare Explosionen ist die Erdoberfläche radioaktiv verstrahlt und praktisch unbewohnbar geworden. Ein nicht enden wollender Fallout führte zu aggressiven Mutationen in der Tierwelt - der Mensch hat seine Vormachtstellung verloren. 

Die Überlebenden flüchteten sich in die Katakomben der Moskauer Metro. Hier, im weit verzweigten U-Bahn Netz bildeten sich neue Gesellschaftsstrukturen. Manche Gruppen bewohnen nur eine einzelne Station, andere herrschen über ganze U-Bahn Linien. Doch sie alle kämpfen mehr oder weniger intensiv um Nahrung, Waffen, die Vormachtstellung in den Stollen der Metro.

In dieser dystopischen Zukunftsvision muss sich der junge Mann Artjom behaupten. Er ist der Protagonist in Metro: Last Night, dem aktuellen Ego-shooter des ukrainischen Entwicklerstudios 4A Games, erschienen im Mai 2013

Die Handlung knüpft dabei direkt an den Vorgänger Metro 2033 an. Auch dort galt es, sich durch die unwirklichen Bunker und Gänge der Metro und das zerstörte Moskau zu kämpfen, um schließlich die vermeintliche Bedrohung durch die „Schwarzen“ zu bannen. Diese humanoide Lebensform gilt als feindselig, da der Kontakt mit ihr zu Wahnvorstellungen und schließlich Wahnsinn führt. Das zumindest ist die verbreitete Meinung unter den überlebenden Menschen. Deshalb beschlossen die Metro-Bewohner, die Schwarzen auszurotten. Frei nach dem Motto: anders = gefährlich.

© 4A Games /  Metro: Last Night / 2013

Absolvierte man in Metro 2033 allerdings eine bestimmte Menge optionaler Aktionen, etwa das Spielen auf gefundenen Instrumenten, traf Artjom zuletzt eine positive Entscheidung. Er verschonte die Schwarzen Wesen. 

Metro: Last Night setzt am negativen Ende des ersten Teils an, in dem die Spielfigur eine Bombe gezündet und die Population, der dunklen Anderen damit ausgelöscht hat. Nun, nicht gänzlich ausgelöscht, ein junger Schwarzer hat überlebt. Ihn zu finden, ist die zentrale Aufgabe des Spiels. Zunächst noch als reiner Terminierungsauftrag angeordnet, stellt Artjom im weiteren Spielverlauf nach und nach seine Tat und die generelle Haltung der Metrobewohner infrage, schließlich versucht er das junge Schwarze zu retten.

Das Spielprinzip hat sich im Vergleich mit Metro 2033 kaum geändert - es bleibt ein minimalistischer Ego-Shooter, mit gehörigen Horrorelementen. Während man sich durch Scharen mutierter Canidae oder die Reihen verfeindeter Metrobewohner ballert, bleibt das Sichtfeld völlig frei von Gesundheis- oder Statusanzeigen und bietet so eine ungestörte Sicht auf die Höhlenwelt. Der Nachteil dieser Panoramaoptik wird besonders beim Spielen mit Tastatur und Maus spürbar, es dauert seine Zeit, bis man sich die verschiedenen Aktionsabläufe eingeprägt hat und im Kampf nicht mehr die Finger in allzu komplizierten Tastenkombinationen verknotet. Ein wirkliches Manko ist dadurch im Spielverlauf zwar nicht spürbar, der Schwierigkeitsgrad bleibt im Normal- als auch im Profi-Modus sehr überschaubar. Nur lässt sich die Umgebung nicht mehr recht genießen, wenn man entnervt nach dem richtigen Shortcut für den Molotov-Cocktail sucht. 

© 4A Games /  Metro: Last Night / 2013
Auch die KI der Gegner setzt einem Vorankommen in der Handlung nichts Nennenswertes entgegen, sie ist mit beschränkt noch wohlwollend umschrieben. Seien es die faschistoiden Angehörigen der „Reichs-Stationen“ oder die Kommunisten der „Roten Linie“, außerhalb des Lichtkegels ihrer Taschenlampen kann Artjom fröhlich schalten und walten, ohne das die Feinde auf ihn aufmerksam werden. Hat der Spieler sich doch einmal ins Helle gewagt oder zu viel Lärm veranstaltet, reicht ein Sprung in Deckung und vielleicht zwanzig Sekunden Geduld, dann setzt es beim Gegner kollektiv einmal aus, und man zieht heiter seiner Wege. 

Diese generöse Auslegung der Realität findet sich auch in den Kampfeffekten wieder. Spätestens, wenn der erste Mutant die Bekanntschaft mit dem Waffenarsenal des Spielers macht, steht die Menge an vergossenem Blut in keinem Verhältnis zur Füllmenge der Körper. 

Das fällt noch mehr ins Gewicht, da sich die Umgebungseffekte der Landschaft im Kontrast dazu wirklich sehen lassen können. Den Entwicklern gelingt es auch eine so triste Spielwelt, wie ein dunkles Tunnelsystem mit ungewöhnlichen, dabei aber meist stimmigen Texturen zu beleben. Besonders die Ausflüge in das zerstörte Moskau sind verstörend schön anzusehen. Zerbombte Häuserschluchten oder ein verwilderter Kreml, in dem sich eine Horde mutierter Wölfe eingenistet hat, machen Lust auf mehr. 

Und auch die zwischenmenschliche Kommunikation kommt, gepaart mit einer Portion Voyeurismus, nicht zu kurz. Während man sich durch die Lager der Feinde oder Siedlungen friedlicher Metro-Bewohner schleicht, erschließen sich einem die Sorgen und Nöte, das ganze Leben der Menschen, durch belauschte Gespräche. Je mehr man von diesen aufschnappt, desto eher erreicht man das nötige Level für ein positives Ende von Metro: Last Night. Sieht man sich etwa die gesamte Vorstellung in den Überresten des Bolschoi-Theaters an, gibt es besonders viele, imaginäre Karmapunkte. Auch das Verschonen besiegter Gegner wird einem positiv zu Buche geschrieben. Dieses Prinzip des variablen Spielendes setzt sich hier, im zweiten Teil der Metro Reihe fort. 

Die ursprüngliche Geschichte beruht auf dem gleichnamigen Roman des russischen Science-Fiction Autors Dmitri Alexejewitsch Gluchowski. Ihn inspirierten die unwirklichen Hallen der Moskauer Metro, die im Vergleich zu anderen U-Bahnen besonderes tief unter der Erde liegt und sich mit pracht- und prunkvoll ausgestatteten Stationen, wie etwa Komsomolskaja, rühmt, das beeindruckendste Metronetz der Welt zu sein. die Nachdem sich zunächst kein Verlag fand, der seine düstere Zukunftsvision rund um die Moskauer Metro drucken wollte, veröffentlichte er Kapitel um Kapitel im Internet. Die positive Resonanz im Netz überzeugte. Mittlerweile existiert ein regelrechtes Metro Universum mit Fortsetzungen und Ablagern des Originalbuches, Metro London, Metro St. Petersburg und vielem mehr. 

Bereits seit 2006 arbeitete 4A Games an der Entwicklung von Metro 2033. Das scheint auch nicht weiter verwunderlich, ließt sich das Buch doch beinahe wie eine Blaupause zu einem Ego-Shooter. Für den Nachfolger ließ sich auch die Marketingabteilung etwas Besonderes einfallen. 

© 4A Games /  Metro: Last Night / 2013
Das Spiel selbst bleibt Konsequenz. Es gibt keine wirklichen Überraschungen, aber auch wenig wirklich zu bemängeln. Metro: Last Night ist ein klassischer Ego-Shooter, der in seinem linearen Spielaufbau für nicht weniger als ein Wochenende schaurigen Spaß mit vielen fliegenden Kugeln verspricht. Allerdings auch nicht viel mehr als das. 


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