Begehren und Verlangen

© ahnungsvoll / Ravenna / 2010

 

 


 Der schnöde Mammon hält Händchen mit wahrem Verlagen

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Von Hubetrus J. Schwarz   7. Februar 20114


Italien, Ravenna – Bedarf schaffen, Bedarf befriedigen. Darum geht es in jeder sozialen Struktur. Aber was steckt dahinter und was eigentlich macht Verlangen aus?

Die Gestalt, in der Sehnsüchte, Ängste und Freuden tagtäglich präsentiert und vergegenwärtigt werden, kann kaum je so mannigfaltig sein, wie es die Bedürfnisse der Menschen sind. Dies trotz der Vielzahl an Medien oder Werbemitteln. Alles Geforderte unterscheidet sich voneinander, auch wenn es nur Nuancen sind, die den Unterschied ausmachen, so bleibt ein jedes persönliche Verlangen doch individuell und einzigartig in seinem Wesen. Ebenso einzigartig, wie es jede Person ist.

Dennoch schaffen die Menschen es sich jeden Tag aufs Neue gegenseitig zu inspirieren und gleichsam zu blenden mit dem was sie zu brauchen glauben, und dem, was sie wirklich nötig haben. Der schnöde Mammon geht dabei Hand in Hand mit ehrlichem, wahren Verlangen. Dass weder gut noch böse ist. Verlangen kann nicht Partei ergreifen. Das, was letztendlich den Ausschlag gibt, ob etwas bereitwillig gegeben oder ohne Rücksicht genommen wird, ist das Wesen jedes Einzelnen. Diese Gesinnung, die tief in den Menschen ruht, ist kaum zu ändern oder gar auszumerzen. 

Was jedoch umso anfälliger bleibt auf äußere Reize, ist das Verlangen selber. Erinnere einen Menschen mit einfachen und subtilen Botschaften an glückliche Ereignisse und das womit du ihm diese schönen Erinnerungen wiedergegeben hast wird sein Verlangen finden. Dränge jemandem mit, den Blick fesselnden, Bildern und er wird, dass was ihn gefesselt hat besitzen wollen. Zeige Schwachen ihre Schwächen auf und biete ihnen gleichermaßen einen Ausweg, sie werden ihn nehmen wollen. Verlangen ist immer ein Schwellwert zwischen dem Produkt der Umwelt und dem ureigenen Empfinden selbst.

Die menschliche Psyche ist flüchtig, formbar und schwach. Hat man es geschafft das Verlangen oder Bedürfnis eines oder mehrerer auf etwas zu lenken was man im eigenen Besitz weiß so ist man meist in überlegener Position. Und da sich verschiedenste Bedürfnisse verallgemeinern lassen, kann man mit ihnen nicht nur einen oder wenige, sondern Massen bewegen. Sowohl zum Schlechten als auch zum Guten. So ist man also befähigt mit diesem Wissen, zu den eigenen Gunsten zu wirtschaften. Diese simple Regel ist so alt wie alle soziale Struktur.

Gibt es Bedarf so ist derjenige der ihn decken kann immer in einer machtvollen Position. Jedes Individuum braucht Nahrung und Schutz, wer dies bietet, kann sich der Abhängigkeit seiner Konsumenten beinahe sicher sein. Solange natürlich das Monopol und Wissen darüber bei ihm bleibt. Weiter verlangen die Menschen etwa zunächst nacheinander. Hat man das erkannt, und vielmehr was sie sich gegenseitig anziehend macht, so bleibt nur noch es zu beschaffen und den Menschen beizubringen. Das ist es, worum es sich in unserer Zeit dreht. Bedarf zu schaffen, Bedarf zu befriedigen.

Jedoch gilt dies nicht ausschließlich für Materielles, im Gegenteil. So ist doch jedwedes geistige Gut zwar eine sehr viel subtilere Ware, dabei aber oftmals eine ungleich wertvollere. Mit der sich größtes Unheil anrichten lässt wie unzählige Beispiele in der Geschichte zeigen. Denn besonders die Masse macht ein Individuum anfällig für jede Art extremen Gedankengutes oder fehlgeleiteter Ideologie.

Auf der anderen Seite aber schafft es der Umgang, die rechte Vermittlung und das Bedürfnis nach Bildung und Wissen viel Gutes hervorzubringen. Es kann kein Zufall sein, dass die Horte größter Gelehrsamkeit oft auch die größte Einsicht, Langmut und Güte sind. Letzten Endes kann Verlangen immer sowohl Gutes als auch Böses hervorbringen.

Was nun aber schafft Verlangen nach innen, was macht es mit einem Selbst. Was, wenn man ein Bedürfnis nicht befriedigen, dabei aber auch nicht von ihm ablassen kann? Und im Gegenzug, was, wenn eine Person immer und uneingeschränkt zu jeder Zeit bekommt, was es wünscht?

Trifft nicht auch hier die Beobachtung, die menschliche Psyche ist flüchtig, formbar und schwach. Wem immer wieder aufs Neue verwehrt wird, was er verlangt, der zerbricht schließlich daran. Sofern er nicht davon lassen kann. Dabei ist entscheidend, wie stark der Wunsch nach dem Begehrtem ist. Derjenige jedoch dem alles anstandslos gegeben wird, verweichlicht ebenso zusehends, wie andere zerbrechen. Wie so oft ist die goldene Mitte die wohl beste Lösung.

Die Frage bleibt, was nun redlich und was unrecht ist. Wenn nun jemand durch das was er tut, und vor allem wie er es tut, die Menschen im Griff hält. Etwa dergestalt, dass ein Produkt unabdingbar ist, aber nur von einem Anbieter geboten wird. Kann man diesem dann verdenken, dass er seinen Vorteil ausnutzt oder nicht? Welche Bedürfnisse sollten ohne Gegenleistung und immer wenn sie aufkommen gestillt werden und welche sind es wert, dass man sie bezahlt?

Mittlerweile gibt es unter den Menschen die zumindest allgemein formulierte Forderung und Übereinkunft, das jeder Person gewisse Rechte zustehen. Etwa das Recht auf Freiheit, das Recht auf Wasser, das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder das Recht auf Leben. Und mit vorschreitender Entwicklung ist es vielleicht nur eine Frage der Zeit bis auch Luxusgüter in diese Reihen der Rechte aufgenommen werden. Das Recht auf Schönheit oder das Recht auf Freude und Spass, das Recht auf Ruhestand.

Der einzige Grund, warum die Menschen überhaupt auf solche Ideen kommen, ist der, dass sie es sich leisten können. Und die Grenze dabei ist ebenso subjektiv wie unvereinbar mit natürlichem Leben. Denn Leben zeichnet sich grundlegend damit aus, das es sowohl von Gewinn als auch von Verlust und Entbehrung gezeichnet ist. Man kann und wird nie dieses Gleichgewicht auf nur einen Nenner reduzieren können, ohne dabei die ganze Gleichung zu kippen. Zumindest bei der Art von Existenz, wie sie in unserer Welt gelebt wird.


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