Damenklo und Herrenhäusl

© ahnungsvoll / Grazer Häusl / 2010








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 Was geschieht, wenn man sich wegsperrt
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Von Hubertus J. Schwarz   20. Dezember 2010


Ahrensburg, Deutschland – ... oder wie ich die Welt für einen Tag vor mir selbst gerettet habe. 24 Stunden in einem 1x1 Meter großen Raum. Noch dazu nicht irgendeine beliebige Kammer. Ein etwas anderer Feldversuch.

Ich bin: Hier und mir ist schlecht … wer hat das noch mal gesagt? Egal klingt gut und passt, wobei Letzteres wahrscheinlich nur auf meinen momentanen Gemütszustand zurückzuführen ist.

Die Uhr teilt lautlos mit dem Zeiger (Finger) mit, dass es kurz nach 00.00 Uhr ist. Begebe mich murrend mit Sack und Pack in bisher unbekannte Gefilde meiner Heimathöhle. Zeit ist, Verharren, und Verharren heißt ausharren, und per Definition ist die Zeitspanne, die man ausharrt, auch die, wie lange man etwas aushält. Beitrag zum Thema von ahnungsvoll, also aushalten, tue das erst mal mit Weiterschlafen. Exkurs ahnungsvoll-probt Ende!

Aufwachen, eigentlich aufdösen, da man geschlafen haben muss, um aufzuwachen. Handyuhr kräht mir ein stumm hämisches 7.25 Uhr entgegen. Zeit zum Umdrehen und weiter dösen, geht aber nicht, Lärm und Enge tun ihr Übriges mich gebeutelte Seele wach zu halten …
Welcher Intelligenz resistente Denklegastheniker hat sich diese beeindruckend sadistische Idee einfallen lassen?!
Suche nach dem Täter führt auf relativ geradem Wege zum Opfer zurück, also doch Masochismus. Auch gut, einen allzu großen Unterschied macht es ja wirklich nicht, nur sich selber zu lynchen stell ich mir gar nicht so leicht vor.

Möchte, nein will nicht. Es ist 7.30 Uhr, ich sollte in meiner Lehranstalt sitzen und versuchen, zumindest den Anschein von Interesse zu heucheln, gelingt eh schon viel zu selten. Stattdessen sitzen, frieren in viel zu kaltem Gästeklo und ja, Klo! Nicht Toilette oder Häusel, denn es beschreibt den Lokus einfach mal am treffendsten.Kompakt, mit einem “O” und wunderschön asymmetrischer Lautsprache.

Soll auch Wesen geben, die aufs Toto gehen, Toto?!
Ist mir in mittlerweile 5009 Jahre zählendem Leben (siehe Blickwechsel N°2) erst eine solche Kreatur begegnet und hat mich sehr gegen diese Spezies eingenommen. Toto klingt schlicht, und ergreifend, und nur scheiße. Was mich wieder an meiner Einstellung zweifeln lässt, ob dieser Ausdruck wirklich so unangebracht ist, um den Ort zu beschreiben.

Mir egal, sage Häusel, klingt schöner, Verniedlichung, passt mir!

Mein persönliches Häusel ist etwa 1,50 x 1,50m² groß, beinhaltet Toilette Waschbecken, Thermometer (es ist zu kalt, 20°), und seit nun etwa 45 min, meinen Labtop, ein Kissen plus Decke alias Scheißteil-du-bist-zu-kurz!, amerikanische XXL Peanutsbutter (crunchy) und mich: Wesen (schlecht gelaunt, übermüdet, fahl bis gelblicher Teint, Mumie). Subjekt im Spiegel wirkt wie etwas, was sich hier zum Sterben zurückgezogen hat … Korrektur, Subjekt sieht aus wie etwas, was sich vor langer Zeit hier zum Sterben zurückgezogen hat, sich um entschied, die Tür nicht mehr fand und dann an einer Kohlenmonoxid Vergiftung krepierte. Was im Übrigen gar nicht so abwegig ist, man erstickt nicht etwa in Räumen mit zu wenig Luft, sondern würde vorher an einer Kohlenmonoxid Vergiftung sterben. Verreckt, wortwörtlich, im eigenen Sud,

sagt die Glotze.

Vermiss Sie. Mich abschalten, Sie anschalten, nicht denken nur füllen lassen, am liebsten mit Werbung, und am aller liebsten mit Werbung von crunchy Peanutsbutter, süßes Mädchen, heiße Figur. Bin ihr Mal in der Hauptstadt begegnet, im Fahrstuhl. Ich grüßte, die personifizierte Werbung erwiderte nicht. Sah auch scheiße aus, hätte mir auch nicht mehr als einen verstörten Blick zugeworfen, geschweige den eine Kusshand. Wobei, das Model auch, dann war, das sie es wohl doch nicht. Möchte sie wiedersehen, nicht im Fahrstuhl, in der Werbung. Dort lächelt sie, lächelt mich an, mich allein?

Es ist 9.15 Uhr, hab die letzte Stunde damit verbracht, zu versuchen die Decke parallel über mich zu verteilen, wie auch auf die eisigen Kacheln unter mir. Das Ergebnis glänzte matt im völligen Misserfolg. Zu viel ich und zu wenig Decke.

Denke es heißt "Fließen" und nicht "Kacheln", Kacheln sind Fliesen mit aufstrebenden Ambitionen. Bin immer noch wütend auf Scheißteil-du-bist-zu-kurz! Immerhin brauche ich Schlaf, möglichst viel, möglichst störungsfrei und möglichst jetzt.
Letztendlich riefen meine Bemühungen, Erzeuger 1. auf den Plan, lenkte mich insofern von meinem Tun, als das Er sich vor Lachen nicht mehr einbekam. Depp elendiger. Nicht mal guten Morgen gesagt, nur gelacht. Jetzt sag ich auch nichts mehr, bin präpubertär und wühle weiter schweigend in Scheißteil-du-bist-zu-kurz!

Erzeuger 2. rückt an, wahrscheinlich angelockt durch Erzeuger 1. Danke auch. Nun wird es demütigend, soll mich rechtfertigen, soll sprechen, artikulieren, nach Möglichkeit dabei auch kommunizieren. Was ich hier suche, warum ich nicht in der Schule sei, schallt es mir entgegen. Suchen? Nein, schon viel zu oft in der Schule nicht das gefunden, was ich dort suchte. Viel mir jedoch alles andere als leicht zu begründen. Kopfschütteln, flehender Blick … abwarten … klappt, super und tschüss, ich wieder meine Ruhe.

Weshalb eigentlich “Kopf schütteln” fürs Verneinen, und nur “nicken” für eine Bejahung, warum nicht nur Schütteln und Nicken? Spart mühe und Tippfehler. Werde das bei Gelegenheit anregen, das Schütteln und Nicken, am besten gleichzeitig, macht die Sache spannender.

Blick auf die Uhr, … erneut, 11.32 Uhr. Hab geschlafen, glaub ich. Schmerzen, im Rücken durch Verrückung, der Wirbelsäule. Ausstrecken wäre schön, aber im Liegen, nicht im Stehen, dazu fehlt es eindeutig an Kraft und Motivation. Versuch gescheitert, sich auf 1.50m² vollkommen zu entfalten. Fällt schwer, selbst mir Beinahe-Hobbit. Hab von einem Mann gelesen, der sich versteckt vor der größten Gang der Welt, auf einem Dachenboden, 40 Jahre lang. Nichts mehr mitbekommen, damals wie heute, nun ja, wenn ihm keiner sagt, das die Nazis weg sind … könnte mir auch passieren.

Mal sehen, wie lange ich mich hier verstecken kann, zumindest hab ich eine etwas höhere Zelle als der Kerl, aber keine Nazis, wo bekommt man mal einen her, wen man sie braucht? Wobei, so was, hier in meiner ganz privaten Zelle, ne danke, ist eh schon hart genug hier drinnen, da brauch ich nicht noch radikalen Mief. Hab den wirklich, den Mief, aber ohne radikalpolitische Ausrichtung. Nur radikal schlechte Luft halt. Fenster auf, Fenster klemmt, Fenster schlagen, Fenster spurt, Frischluft …
Frische, stinkende Großstadtluft, geschwängert von Fett, Schweiß und dem Dunst der Menschen. Widerlich, aber auch natürlich, geradezu widerlich natürlich.

Ich kann sie riechen, trotz geschwollen gebrochener Nase, den Geruch der Morologie, sie wird dort draußen gelehrt, andauernd und ohne Unterlass, aber niemals laut, die Lehre der Dummheit.

Morologie, ich kann dich riechen, kann spüren, wie du in die Köpfe der Menschen kriechst und sie zwingst Werbung mit sexy drogenverzehrten Frauenkörpern anzusehen, vollgeschmiert mit Erdnussbutter. Zwingst mich das zu tun, ich hasse dich, ein bisschen.

Es ist 13.00 Uhr bin erstaunt, soweit man in meinem Zustand

Wo ist die Zeit geblieben, wahrscheinlich tot, erstickt an monologisch schlechter Atemluft der Menschen.
Habe Hunger, präziser mein Magen sag er hat Hunger, oder sage ich nur meinem Magen er soll meinem Hirn mitteilen, das ich Nahrung brauche? Weiß nicht, auch egal, Hunger!

Handy ein, Handy aus, ewig falsch Staccato immer selber Tastentöne …

Hunger hat sich nicht verabschiedet, es ist 14.30 Uhr. Die Zeit lebt doch noch, ist in genau falschem Moment wieder zurückgekommen und breitet sich nun hier in meiner Zelle aus, riesig groß und unüberwindbar. Was willst du bei mir? Keine Antwort, vielleicht weil hier der einzige Ort ist, der nicht morologisch toxisch ist, letzter Hort universeller Weisheit, Damenklo.

Dame oder Herr? Ist mein Gästehäusel weiblich oder maskulin? Finde feminin, mir gefällt dir Vorstellung in einem weiß gekachelten Uterus zu hocken und auf mein Essen zu hoffen.

Höre Musik und dann Schritte. Höre Affen mit Fieber und dann meinen Bruder.
Rufen, hoffen, horchen. Er hört mich, ist pissig, Inhalts leerer Lehrertwist, vermieste ihm den Tag und nun mir die Aussicht auf Nahrung. (Soll ich betteln? Nein, bin immer noch doppelt so alt, verlange Respekt … falscher Weg) Erbarmen und Einsicht gehen Hand in Hand und verhelfen so zu köstlich kalten Pizzabrötchen von scheinheilig grinsendem Smiley, sehr rot, der Smiley, wahrscheinlich zu hoher Blutdruck, lautet fachmännisch spontane Prognose.

15.06 Uhr befriedigt, vorerst, schreibe wieder, hacke die Tasten des Laptops in Grund und Boden. Krieg, Krieg der Tastaturen mit, mir, Allianz größtmöglicher Ignoranz.

Verlangen wieder da, diesmal nach Blau, himmelblau. Aber das Fenster ist zu schmal und der Himmel zu Grau. Labtop muss herhalten, sehe mir die Fotovorlagen an, und wünsche meine Zelle an einen Ort mit doppelt so viel Strand und Palmen.

Finde es hier, scheiße ätzend, Limbo, mein persönlicher Limbo heißt, Damenklo, auf halb zwölf.
Computer mault, schiebt Hunger, möchte Strom, bekommt aber keinen, mangels Steckdosen, schade …

Sparmodus …

Kafka wäre gut. Möchte auch ein Käfer sein, und aus meiner Vorhölle krabbeln. Kakerlaken essen doppelt so schnell, wenn sie havy metal hören, probier dasselbe mit mir und tippen, funktioniert nicht, Krampf im linken Zeigefinger.

Akku sagt 30%: Spiel- und Spaßeinheiten frei. Handy sagt: 18.17 Uhr. Spiele Snake, gewinne gegen mich, besser gegen meine Highscore. Bin Rekordhalter, und zwar einsamer. Hätte wirklich gern jemanden zum Reden. Also Zweckendfremde ich mein Handy und rufe an, erst mich selbst, bin mir grad als Gesprächspartner am liebsten, versteh mich auch öfter als andere, wobei, in letzter Zeit eigentlich gar nicht. Vielleicht weiß ja ein anderer Rat und bescheid, aber wer? Zu viele Kontakte; zu wenig Freunde. Freundin anrufen, abwesend, Anrufbetöhrer springt mich an, oder viel mehr meine Hirnwindungen.

Träume von wärmeren Zeiten und heißeren Nächten, von vergangenen Sommern in höheren Schichten der Gesellschaft, wie der Atmosphäre. Juli wär schön, Sommerregen und die Ruhe vor dem Gewitter.
Der Moment des Innehaltens. Oder Sterne kenne gar keine mehr, immer währende, graue Suppe über der Stadt. Die ich nicht ausgelöffelt bekomme, um auf den Grund der Schale meine Sterne sehen zu können.
Waren für mich immer Löcher in meiner Decke (die noch groß genug war). Und durch diese Löcher schien das Licht hindurch, und wenn man ganz genau hinschaute, lange genug in die Sonne, dann konnte man irgendwann erkennen, von wo das Licht kam.

Anruf in Abwesenheit, Verwunderung steigert sich ins Unermessliche, war doch da, oder nicht?

Anonymer Anrufer, was wenn ich nun den einen Anruf verpasst habe? Den einen von der anderen Seite, der kurz die Verbindung herstellen konnte? Scheiße, das schreit nach Ablenkung. Juli aus und Fieber an, besser.

Kenne die Decke besser als mich selbst, weit besser, lustige Feststellung, muss lachen, mein Echo lacht mit. Wir lachen zusammen. Könnte was zu Essen vertragen, was Fettiges, möglichst ungesund und möglichst widerlich. Ob der hyperventilierende Smiley Mensch auch auf meine Damentoilette kommt?
Handy, tot, Akku leer. Spontane Schweigeminute zum Gedenken, die in mittlerweile 19. Schweigestunde untergeht und sich nahtlos einreiht.

Darben, gären in eigenem Sud.

Suche mit Klopf- und Morsecodes durch die meterdicken, wände meine Einsamkeit zu brechen, wars Brecht? Zu zweit ist man mehr allein, hat ja keine Ahnung der Kerl, Ignorant elendiger.

Hör mir John an, John, Meet Ray und stell mir Oliver Cromwell vor. War beliebt der Kerl, die Menschen waren so begeistert, dass sie ihn zwei Jahre nach seinem Tod noch mal ausbuddelten, um ihn zu hängen und zu köpfen. Dann, 1661 noch mal exhumiert und posthum hingerichtet, hatten wohl Spaß dran, Cromwell muss da ne irre Show abgeliefert haben, dass die Menge immer noch nach Zugabe schrie. Die haben den Kopf dann auch eingemauert, vielleicht damit ihn keiner klaut, in Sussex und den Rest zwecks Wiederverwertung normal wieder verscharrt. Das nenn ich mal Ehrerbietung, wenn ich jemals sterben sollte, Klausel ich auch in mein Testament, dass ich mindestens so oft wie der olle Oliver sterben möchte. Wie? Darum können sich dann meine nachgekommenen Bälger kümmern.

Man stelle sich vor, ich würde nicht sterben. Was der Welt und mir und meinen armen Nachgekommenen so alles bevorstehen würde. Könnte ich ihnen Heesters gleich an der Backe hängen. Was für eine verlockend sadistische Vorstellung meinen müden Geist um diese Uhrzeit noch so erhellt, oder doch eher verdunkelt. Beides in jedem Fall auf schöne Art und Weise.
Allein schon was dieser Tag der Welt gebracht hat. Haben könnte. Ich habe nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, denn für einen auch nur sporadischen Nachrichtenkonsum reichte meine so wertvolle Zeit nun wirklich nicht aus. Ich bin mir allerdings in einem völlig sicher: Etwas geschieht und dass ich nur indirekt heute daran teilgenommen habe, ist für dieses Etwas ein ermutigender Gedanke.

22.56 Uhr sollte langsam mal mit meinem Fazit beginnen, Labtop steht kurz vorm Exitus, und ich stehe kurz davor mich selber so zu fühlen. Im Hintergrund, Rammstein, keine Lust, Textverständnis deckt sich nahtlos mit dem Empfinden der momentanen Situation und Gefühlslage, und mir ist schlecht.

1. Ohne mich ist alles nur noch halb so gut!
2. Mir ist schlecht und das ist gut so.
3. Dieser Text beinhaltet keine Beschreibungen oder Annahmen über andere Personen außer der des Autores und wenn Ähnlichkeiten auftauchen sollten ist das purer Zufall und ebenso unbeabsichtigt.
4. Ich seh euch trotzdem noch!
5. Verschanzt euch nie in verlockenden pseudo- Damentoiletten! Appell Ende.

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Kommt nur mir das so asymmetrisch vor? Zieht sich hier auf jedenfalls alles, könnte paar Rechtschreibfehler einbauen, damit die Rektoren auch was tun für ihr Geld. Wobei: Legastheniker. Denke ich habe eh vorgesorgt.
23.38 Uhr  = “§:§(UHR, keinen Nerv mehr, aber die paar Minuten halt ich jetzt noch aus….
Erzählt was, hät ich jetzt gesagt, aber keiner außer mir da, und ich hab keine Lust, ich bin nur hier und mir ist schlecht…



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