Der Tod des Moralpolitikers

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  Der ehemalige Verteidigungsminister Zu Guttenberg und worüber er fiel
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Von Hubertus J. Schwarz   28. Februar 2014

Meran, Italien – Früher so sagt man, gab es eine Instanz, die sich da Moral nannte. Heute ist Moral nur noch ein fernes Gedankengespinst, das sehnsüchtig alten Zeiten angedichtet und schmerzlich vermisst wird. Den Moralpolitiker scheint es nicht mehr zu geben. Und nun ist auch die letzte Lichtgestalt der deutschen Politik befleckt. Es grassiert die Egozentrik und dabei bleibt mancher auf der Strecke.

Ein Mann beginnt eine politische Karriere, er arbeitet sich nach und nach bis in die Eliten der Politik vor. Als Wirtschaftsminister leistet er gute Arbeit und seine Beliebtheit nimmt stetig zu. Die Bevölkerung sieht ihn als jung, eloquent und authentisch. Seine Popularität und die positiven Leistungen während der Ministerarbeit sorgen schließlich dafür, dass er sich seinen neuen Posten unter der liberal-konservativen Regierung selber aussuchen kann. Er wird zum Verteidigungsminister.

Als Herr zu Guttenberg die ersten Wochen seiner neuen Tätigkeit hinter sich hatte war die Meinung über ihn weitgehend und ungebrochen positiv. Man schätze seinen Reformwillen und viele Stimmen feierten ihn schon als Zukunft der deutschen Politik.

Ein Obama aus München!

Er leitete die Umformung der Bundeswehr hin zu einem freiwilligen Wehrdienst ein, verschlanke die bürokratischen und überproportionierten Strukturen des Heeres und nahm sich der Aufklärung des Bombardements vom 6. November 2009 an. Seine Reformierung des Heerwesens stieß auf eine breite Zustimmung und wurde als längst überfälliger Akt, den nun endlich ein Verteidigungsminister angepackt hätte. Zu seinen Gunsten ausgelegt.

Erste, größere Kritiken seitens der Opposition kamen auf, als er sich zu dem Luftangriff im Kundus äußerte und diesen als „militärisch angemessen“ bezeichnete. Dagegen seine Aussage kurze Zeit später wieder zurück nahm. Und doch lag der jüngste Verteidigungsminister Deutschland in den Umfragewerten teilweise auf positiven Rekordwerten.

Dann aber kam der fatale Vorwurf, er soll plagiiert haben. In seiner Doktorarbeit seien Unregelmäßigkeiten und fehlende Quellen aufgefallen. Der Aufschrei in der Bundesrepublik war groß, am größten natürlich bei der Opposition. Gerade die enorme Medienpräsenz und das bis dato unbefleckte Hemd des Politikers ließen dieses neue Schreckensbild eines „Betrügers als Minister“ umso deutlicher hervorstechen. Derweil hielt sich zu Guttenberg bei der kämpfenden Truppe in Afghanistan auf.
Vorerst kein Kommentar...
Die Stimmen nach Klärung und Stellungnahme wurden immer lauter. Im Internet wurde öffentlich dazu aufgerufen, sich an der Plagiatssuche auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite zu beteiligen. Der Minister bestritt erst die Vorwürfe, dann räumte er Ungenauigkeiten ein, schließlich legte er seinen Doktortitel vorübergehend nieder. Die Universität Bayreuth erkannte am 23. Februar 2011 den Titel offiziell ab.

Aus den Reihen der Opposition wurde die Forderung nach Rücktritt immer lauter. Die Stimmen der Wissenschaft dagegen waren geteilt, auf der mehrheitlichen Seite wurde ebenso harte Konsequenzen für Herrn zu Guttenberg gefordert, da dies einem Doktor nicht würdig sei und die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft in den Schmutz ziehe. Auf der anderen Seite formierte sich Widerstand zugunsten des Verteidigungsministers mit dem Argument, Herr zu Guttenberg habe ein Kavaliersdelikt begangen, nicht mehr aber auch nicht weniger. Es sei allgemein gebräuchlich in den Doktorarbeiten auf eine saubere Quellenarbeit zu verzichten.
Der geständige Politiker selbst zeigte sich reumütig und doch besteht nach wie vor der laute Ruf nach Rücktritt.

Es war falsch von Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner Arbeit zu betrügen. Nicht nur falsch, sondern auch unklug und naiv.

Es war auch ein Fehler nicht gleich öffentlich Stellung zu nehmen. Auch wenn die Ausmaße vielleicht nicht absehbar waren, so hat sein Zögern die Affäre doch erst wirklich zum Zünden gebracht.

Ebenso war es nicht recht, als Reaktion dann das Plagiat zu dementieren. Gerade als Politiker der Ehrlichkeit und Authentizität zu seinen Hauptanliegen machen wollte.

Aber sind das auch ausreichende Gründe jemandem seine guten Leistungen auf anderen Gebieten abzuerkennen und ihm die Arbeit in diesen als untragbar strittig zu machen?
Auf der einen Seite muss eine Person des öffentlichen Lebens damit rechnen und umgehen, dass ihr Tun und Lassen der Kritik aller ausgesetzt ist. Und die Menschen oft vergessen zu differenzieren, zwischen Privatem und Beruf, altem Amt und neuer Anstellung und den in diesem Fall völlig unabhängigen Themengebieten.

Auch hat ein Politiker tragbar zu bleiben, man kann nicht bis ins Letzte an einem guten Verteidigungsminister festhalten und dabei alle seine anderen Fehler außer Acht lassen.

Die Frage bleibt, muss ein Politiker seinen Posten räumen, wenn er an anderer Stelle gefehlt hat? Auch wenn diese Fehler vor seiner Amtszeit lagen und auch wenn sie in keiner Weise seine Erfolge wie Misserfolge in dieser politischen Arbeit beeinflusst haben?

Leider hat die Debatte über Konsequenzen ein Niveau erreicht, auf dem kaum mehr objektiv und teilweise nicht mehr sachlich argumentiert wird. Die Schuld daran tragen zu einem Großteil die Opposition und die Medien in Deutschland. Bei vielen in der Bevölkerung machte sich zwar auf der einen Seite Ärger darüber breit, dass der bisherige Hoffnungsträger Guttenberg doch nicht so unschuldig ist wie er zu sein schien, aber mittlerweile überwiegt auch die Frustration über die politische Situation allgemein.

Es war erschreckend, mit welcher Gier und morbider Geilheit sich teilweise auf die Plagiatsaffäre gestürzt wurde. Viele waren begierig endlich etwas gefunden zu haben, was man dem Verteidigungsminister an die Fesseln hängen konnte. Das machte sich vor allem darin bemerkbar, dass einige Medien verstärkt Oppositionspolitiker nach ihrer Meinung fragten und dabei eine Tendenz beschwören die in Deutschland mehr und mehr politische Normalität wird. Jeder drängt sich mit seiner Meinung in die Kamera, sich als Person und auch nur mit dem Willen diese zu inszenieren. Dabei sind die aktuellen Themen nur der Vorwand zur Selbstdarstellung. Die eigentlichen Interessen der Partei werden den persönlichen hintangestellt.
Die egoistischen Interessen sind der Tod der Moral
Man konnte den Eindruck gewinnen, das viele nur deshalb so vehement den Rücktritt Guttenbergs forderten, um immer noch einen Grund zu haben, sich in ein Mikrofon zu ergießen.
Herr zu Guttenberg entschuldigte sich in aller Öffentlichkeit und gestand seine Verfehlung ein. Im Übrigen ein Umstand, den man bei den störrischen Politikern Deutschlands selten hört, eine echte Entschuldigung.

Den bisherigen Höhepunkt dieser schmählichen und für den Verteidigungsminister demütigenden öffentlichen Hinrichtung über mehrere Tage war die Anhörung im Bundestag. Dort wurde in einer Art und eise auf Herrn Gutenberg eingeprügelt, dass er selbst seinen scharfen Kritikern im Volk leidtun konnte. Und auch hier ging es allein darum, ihn als ganze Person zu diskreditieren und untragbar zu machen. Das zumindest vermittelten die an der Grenze der Höflichkeit gehaltenen Reden gegen den Minister. Frei nach dem Motto:
Ist der Apfel verdorben ist auch der Baum krank
Das die Debatte auf so eine Art und Weise zu führen weder von politischer reife, noch von Höflichkeit oder einem angemessenen Umgang miteinander zeugt scheint hingegen wenige Politiker zu kümmern. Aus welchem Lager auch immer.

Nun muss die öffentliche Meinung entscheiden ob es diese leidige Affäre auf sich und der Aberkennung des Titels beruhen lässt, härte Maßnahmen verlangt oder gar den Rücktritt des Verteidigungsministers in Gänze fordert.

Letztendlich sollte es von Karl-Theodor zu Guttenberg selber abhängen, inwieweit er sich unter diesen neuen Umständen eine weitere Arbeit in der Öffentlichkeit zutraut. Man wünscht sich er besäße die Größe über sich und seine Arbeit ehrlich zu urteilen und dann daraus die Konsequenz und Möglichkeit zu ziehen die angemessen sind. Ebenso wie die Größe der Bevölkerung und besonders der irrational kritischen Politiker und Medien diese zu akzeptieren und zu vergeben.
Das zumindest wünscht man sich von Instanzen, die sich der Wahrheit und Authentizität verschrieben haben.


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Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AVerteidigungsminister_Karl-Theodor_zu_Guttenberg_-_Eurofighter.jpg
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