Die Unsterblichkeit der deutschen Hausfliege

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Soziale Intelligenz oder wie man entspannter 
ans Ziel gelangt
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Von Hubertus J. Schwarz   21. Februar 2011

München, Deutschland – Der Clou am Überleben hat ganz verschiedene Gesichter. Manchmal ist es einfach nur Glück, ein anders Mal wieder liegt der Trick darin, schneller oder größer oder schlauer zu sein als die anderen. Besonders gerissene Subjekte behaupten gar, der Clou an der Unsterblichkeit ist einfach nicht zu sterben.

Davon mag man halten, was man will. Die gemeine, deutsche Stubenfliege hält indes sehr wenig davon. Sie ist ganz allgemein sogar recht bewandert darin, nichts von Dingen zu halten. Was nicht zuletzt an ihrer beeindruckenden Intelligenz liegt.

Intelligenz ist nach Meinung intelligenter Individuen der Schlüssel zum Erfolg besonders bewährter Arten. Dem Menschen etwa, dessen Spezies es auf ein ehrwürdiges Alter von etwa 200.000 Jahren und einigen Tagen bringt. Die Fliege hingegen schafft es da auf mindestens 33,9 Millionen Jahre. Nun drängt sich natürlich die Frage auf, wieso es dieses selten dumme Tier geschafft hat, so lange zu überleben. Wo es ihr doch ganz offensichtlich an Intelligenz mangelt...

Die gemeine Fliege juckt diese Frage herzlich wenig. Genauso wie sie sich, nur knapp dem Fliegenklatschentod entronnen, sofort wieder auf dem Obstkorb setzt, fröhlich und fatalistisch vor sich hinbrummend. Ihre Antwort auf den Tod durch Insektenvernichter, Kälte oder Fliegenklatschen ist beeindruckende Gleichgültigkeit und gnadenlose Reproduktion.

Eine Theorie könnte die Umkehrung der Wertigkeiten sein. Sagen wir ein Haufen von intelligenten Menschen, meinetwegen Wissenschaftler, werden in einen Raum gesperrt. Dort bekommen sie dann Wermut und Milch, wovon sich bekanntlich alle Männer des Geistes ernähren, eine Zigarre und ein kleines Glockenspiel mit der Melodie von „Für Elise“. Ihre Aufgabe besteht nun darin, die Zigarre anzuzünden.

Nachdem sie ausführlich diskutiert haben, ob man die Aufgabenstellung so für zulässig erklären kann, ein Protokollführer gewählt wurde und der Notfallplan für unerwartetes Scheitern aufgestellt ist, gehen die Wissenschaftler zur Bearbeitung der eigentlichen Aufgabe über. Sie entwerfen drei alternative Lösungswege und entscheiden sich nach reiflicher Überlegung für den Letzten. Sie rüsten das Glockenspiel in einen Miniaturtransformator um. Dann zerreißen die Wissenschaftler ihre Kittel, um an Brennmaterial zu kommen, und übergießen den entstandenen Stoffhaufen mit ihrem Wermut. Einer der Drei dreht nun so hektisch an dem Glockenspiel-Transformator, bis er durch die Reibung des Zahnrades einen Funken erzeugt hat. Dieser setzt die mit Alkohol getränkten Kleider in Brand und schließlich können die drei Wissenschaftler mit der entstandenen Flamme ihre Zigarre anzünden.

Im Nebenraum bekam ein Durchschnittsbürger die gleiche Aufgabe. Ist zur Tür gegangen und hat bei einem der Juroren für die Prüfung um Feuer gebeten. Dann seine Zigarre geraucht und sich an seiner Ration Wermut ergötzt, während er sich in aller Ruhe „Für Elise“ anhören konnte.

Ohne Frage führen beide Wege zum Ziel. Doch das Letzterer entschieden bequemer ist, steht ebenso außer Zweifel.
Die Umkehrung der Werte besteht also in der Annahme, dass wenn ein bestimmter Grad an Intelligenz erreicht ist, man dadurch so überproportional genial wird, dass man nicht mehr zu effizientem Handeln fähig ist. Vielleicht tun sich Autisten daher so schwer in unserer Gesellschaft. Sie sind schlicht zu genial, um alleine lebensfähig zu sein.
Der Umkehrschluss daraus ist, dass die Fliege durch ihre enorme Idiotie wiederum besonders lebens- und überlebensfähig ist.

Ein Tier dessen Gedächtnis, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Gedächtnis sprechen kann, für nur 0,2 Sekunden reicht hat so natürlich die Ruhe weg. Hätten wir alle, sie hat gar keine Ahnung davon, dass sie sich Sorgen machen sollte. Geschweige den, dass die Haufliege auf die Idee käme, sich über das Sein und den Sinn Gedanken zu machen. Wie auch.
Beneidenswert ...
Wir sollten nun vielleicht nicht gleich kollektiv dazu übergehen gegen Scheiben zu fliegen und uns auf Kuhfladen zu setzen. Wobei beide Anblicke nicht eines gewissen Reizes entbehren. Aber ein wenig mehr fliegende Gleichgültigkeit würde einigen im Alltag sicherlich gut tun.
Vielleicht aber hat es die Fliege bis heute auch einfach nur geschafft von der Evolution übersehen zu werden.


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