Internet ist Niemandsland

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Der rechtsfreie Raum Internet ist verloren oder wer prüft die Prüfer?
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Von Hubertus J. Schwarz   27. April 2011

Hamburg, Deutschland – Sony rät zu Briefkasten-Observation, Google und ­Apple ­schalten gleich und der Nutzer schaut wie immer mit dem virtuellen Ofenrohr ins ­Onlinegebirge.

Das Internet als rechtsfreier Raum ist ein Zustand, der nach wie vor heftig diskutiert wird. Meist heftig genug, um dabei auf zielführendes Argumentieren zu verzichten. Einen allgemeinen Konsens gibt es also nicht. Wozu auch, würde der Diskussion ja den Reiz nehmen. 

So sehen sich etwa der Verfassungsschutz und Menschenrechtsorganisationen als Verfechter von strengeren Richtlinien im Netz und dem Schutz persönlicher Daten. Journalisten und Entwicklerverbände fürchten wiederum eine Beschneidung der Freiheit im Web und wehren sich gegen eine „Zensur im Netz“.
Im Brennpunkt der Diskussion und öffentlichen Kritik stehen zusehends Provider. Diese provozieren mit ihren Plattformen immer wieder Negativschlagzeilen. Berichte, nach denen Großkonzerne wie Apple oder Google Inhalte zensurieren, Nutzerdaten unrechtmäßig sammeln oder unzureichend schützen, mehren sich in beeindruckender Vielfalt. 
An die Wand und das im Rampenlicht. Unlängst stand auch Sony ungewollt im medialen Rampenlicht, als bekannt wurde, dass das Internetportal der Spielkonsole PS3 wohl zum Opfer eines Hackerangriffes geworden sei. Bei diesem wurden Millionen von persönlichen und vor allem vertraulichen Nutzerdaten geraubt. Das reichte von Kaufhistorien der Kunden bis hin zu Bankverbindungen und Adressen. Sony reagierte mit der Brechstangentaktik und schaltete das ­Online Portal für Tage ab. Die unzähligen Spaßkonsumenten reagierten verstört darüber, dass ihre Spielfortschritte nun auf irgendwelchen anonymen Servern auf den Malediven parken. 
Einige gingen sogar soweit sich darüber zu empörten, dass ihre Nutzerprofile ja nun ganz offen online seien. Das Chaos war perfekt, als das Playstation3 Portal offiziell Stellung nahm und Verbrauchertipps an die geschätzten Network-Kunden abgab: „(...) Für Ihre eigene Sicherheit möchten wir Sie inständig bitten, besonders wachsam vor potenziellen Gaunereien via E-Mail, Telefon und Post zu sein, in denen persönliche, private Informationen ausgehorcht werden. (...)“. Der Fall wird aktuell noch untersucht und solange das Online Portal noch außer Betrieb ist, bleibt den Konsolenkonsumenten nichts, als sich wachsam vor ihren Briefkastenschlitzen zu postieren und auf potenzielle Gaunereien zu achten.

Gleiches Problem anderer Blickwinkel. Das Hauptanliegen von Verfassungsschutz und Menschenrechtsorganisationen ist das Filtern von pornografischen, gewaltverherrlichenden oder verfassungswidrigen Inhalten. Auch der Verbraucher- und Datenschutz steht auf der Agenda.

Die Gegenseite bemängelt dabei die Art der Umsetzung. Und das nicht völlig zu Unrecht. In Deutschland etwa hat der Staat nun ein neues, nennen wir es großzügig, „Konzept“ auf den Weg gebracht. Virtuelle Stoppschilder als Pop-up sollen vor dem Betreten kinderpornografischer Seiten oder anderer verfassungswidriger Inhalte im Netz warnen. Inwieweit sich ein Internet nutzender Triebtäter von einem Stoppschild aufhalten lässt, sei dahingestellt. Ähnlich effektiv wahrscheinlich wie der „Stopp!“ Schrei eines wirklichen Opfers. 

Damit hören sich die rudimentären Bemühungen gegen derlei Inhalte aber auch schon wieder auf. Und so bleibt die argwöhnisch hochgezogene Augenbraue der Kritiker vielleicht wirklich berechtigt.

Vertrauen ist gut Kontrolle ist besser. Momentan ist das Internet an einem Punkt, an dem Nutzerinformationen leichter als je zuvor zugänglich gemacht werden können und Zensur überall dort herrscht, wo ein Anbieter seine AGB's entsprechend formuliert. 

Das heißt, die einzigen Kontrollinstanzen im World Wide Web sind die Anbieter von Inhalten selber. Und der Nutzer ist deren Regeln oder eben auch Willkür letztendlich hilflos ausgeliefert. So etwa im App-Store. Apple-Sprecher Georg Albrecht erklärt: "Nicht erlaubt sind Anwendungen mit beispielsweise pornografischen, illegalen oder die Privatsphäre verletzenden Inhalten". Nachprüfen kann man diese Aussage dabei aber nicht. Denn eine Einsicht in die vollständigen Richtlinien verhindert das Unternehmen. Und genau in dieser fehlenden Transparenz besteht das Problem, welches viele Journalisten und professionelle Internetnutzer anprangern. Theoretisch ist es Apple so möglich, sämtliche Inhalte, die im ­App-store unter dem Namen des jeweiligen Anbieters erhältlich sind, ohne Wissen des Käufers zu manipulieren. 

Eine ähnliche Praxis betreibt ­der online Gigant Google. Offiziell werden nur illegale Daten gelöscht oder entschärft. Ob aber der Konzern auch einfach kritisch Unliebsames entfernt oder in seinen Ranglisten herunterstuft bleibt intern, denn auch hier werden keine Informationen über diese „Gleichschaltungsprozesse“ offen gelegt. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz gibt ­dabei aber auch zu bedenken: "Es kam mehrfach vor, dass Provider in kritischen Fällen für Darstellungen auf ihrer Plattform zur Verantwortung gezogen wurden. Insofern handelt es sich um eine Vorsichtsmaßnahme aus juristischen Gründen." Solange der Nutzer keine Einsicht auf die genauen Richtlinien, nach denen gefiltert wird, bekommt, bleibt der Verdacht auf eine Zensurpolitik jedoch bestehen und so auch die Frage, wer prüft die Prüfer?


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