Von Wünschen und Träumen

© Michael Schitnig






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Was, wenn man sich seine Uni bauen könnte – Ein Luftschloss
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Von Hubertus J. Schwarz    16. Mai 2013


Graz, Steiermark – Keine Standorte mehr. Dafür eine einzgige, große FH Joanneum in Graz. Ein vielleicht gar nicht so abwegiger Gedanke. Wie aber könnte solch ein geeinter Campus für das Joanneum aussehen? Ein Luftschloss.

Die Sonnenstrahlen brechen sich in den Scheiben der Kuppel und zeichnen weit unten auf dem Boden der Halle einen hellen Kreis. Sie steht am Rand des perfekten Lichtkegels und streckt nur eine ihrer Stiefelspitzen in das helle Rund. Gedankenverloren sieht das Mädchen auf die Statue des Erzherzogs.

Johann schaut gütig lächelnd zurück. Ihr Blick wandert weiter. Vorbei an den Säulen der großen Halle, die vier Stockwerke empor bis zum gläsernen Dach reichen. Vorbei an den Regalen voll unzähliger Bücher und Folianten. Vorbei auch an den Studenten, die, in Grüppchen verteilt, den gewaltigen Eingangsbereich des Campus bevölkern. Nur das Mädchen steht alleine. Es ist ihr erster Tag an der FH Joanneum.

Sie beginnt in ihrer Tasche zu kramen. Die schokoladenbraunen Haare fallen ihr dabei ins Gesicht. Beiläufig wird die Strähne wieder hinter das Ohr gestrichen, dann holt das Mädchen einen zerknitterten Zettel hervor und sieht unsicher darauf. „Der Studiengang Journalismus und Public Relations (PR) begrüßt Sie recht herzlich als Studienanfängerin im Wintersemester 2020. Ihre Einführungsvorlesung findet um 13 Uhr im Auditorium des blauen Flügels im neuen Campusgebäude statt.“.

Vier verschiedenfarbige Gänge treffen sich in der großen Halle. Gelb, grün, orange. Und blau. Das Mädchen wendet sich nun in den letzten, den blauen. Gerahmte Arbeiten junger Journalisten, PR-Texter und anderer Studiengänge zieren die Wände. Die Türen am Ende des Ganges aber sind noch verschlossen.

Der kleine Zeiger ihrer Armbanduhr springt auf elf. Aus den vier Gängen dringt lautes Stimmengewirr. Studierende strömen aus den Hörsälen, vorbei an dem einsamen Mädchen. Sie wendet sich um, folgt den Leuten hinaus in den gleißenden Sonnenschein.

Der Rasen des Campus ist von einem üppigen Grün. Das Mädchen schließt die Augen, atmet tief ein. Es duftet nach frisch gemähtem Gras. Wuchtige Ahornbäume spenden Schatten an diesem heißen Oktobertag. Die farbenprächtigen Knospen der Magnolienbäume und tiefrote Rosensträucher verwandeln das Areal rund um die Hochschule in ein blühendes Paradies. Inmitten des Parks erhebt sich ein Judasbäumchen, seine leuchtend grünen Blätter glänzen silbrig im strahlenden Sonnenlicht. Die junge Studentin schlendert quer über den Rasen und mustert die pinken Blüten, die den Stamm des Bäumchens hinaufwandern.

Der Wind trägt den Geruch von Curry und Kokosnuss über den Campus. Am anderen Ende der Wiese entdeckt das Mädchen eine Fülle an kleinen Restaurants aus allen Ecken der Welt. Die breite Auswahl reicht von der würzig-exotischen indischen Küche, über frisches Sushi, chinesisches Hühnchen süßsauer, mediterrane Fischgerichte bis hin zur traditionellen österreichischen Kochkunst. Studenten bevölkern die vielen Cafés und Patisserien, die quer über das Areal verstreut sind. Hier gibt es frisch gemahlenen Kaffee, Crêpes, Marzipantorten und Schokoladenkuchen.

Um das Mädchen und den Park im Herzen der Hochschule schmiegt sich der weitläufige Gebäudekomplex. Im Licht der Sonne wirken die Mauern aus Sandstein weiß und beinahe zu sauber. Durch die hohen Fenster dringen all die Eindrücke ins Innere. Füllen die Hörsäle mit einer Symphonie aus Klang, Farbe und Duft. Das stolz aufragende Bauwerk wirkt auf den ersten Blick nicht modern. Die Symmetrie erinnert mehr an einen gestrengen, großen Bruder von Schloss Schönbrunn, denn an die neue FH Joanneum.

Die gleichförmige Architektur wird durch gläserne Erker und beinahe willkürlich wirkende Fensterflächen durchbrochen. Verspielte Ornamente und Figuren zieren die Säulen rund um das Gebäude. Kobolde, Wassermänner, Fische, kleine Musen sehen aus steinernen Augen auf den Campus hinab. Das Zentrum der Anlage bildet die Kuppel über der Bibliothek und der großen Halle. Unter ihr treffen sich Tag für Tag die Professoren und Studenten aller Fachrichtungen. Es ist ein Ort der Begegnung.

Die Architektur vereint Ideale aus dem Zeitalter der Aufklärung mit moderner Kreativität und Technik. In dieser Form manifestiert sich der Wunsch nach Gemeinschaft, einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Auch wenn sich die unterschiedlichen Studienzweige auf die vier Flügel verteilen, so sind sie doch alle durch das Gebäude an sich geeint. Die kommenden drei Jahre wird auch das braunhaarige Mädchen unzählige Sekunden in den neuen Gemäuern der Hochschule verbringen. Und so zu einem Teil des Ganzen werden.




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