Dystopische Kirschblüten

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013
R


Rezension der Playstation 4 Offensive des Halo-Killers gegen die Microsoft Konkurrenz
_______________________________________
Von Hubertus J. Schwarz   28. Dezember 2013


Hamburg, Deutschland – Als Halo-Killer gefürchtet, entpuppten sich die Killzone Spiele meist doch als kränkelnde Konkurrenz. Mit Killzone: Shadow Fall soll damit nun Schluss sein. Der Launch-Titel für die Playstation 4 geht ein hohes Risiko ein und ob er scheitern wird, ist schwer festzustellen.

Die Luft flimmert unter den Düsenstrahlen der Jets. Sie surren wie insektoide Schwärme zwischen den in der Mittagssonne leuchtenden Glasfassaden der Wolkenkratzer. Kilometerweit erstrecken sich die zum Meer hin abfallenden Terrassen der Mega City. Getrübt wird dieses Bild nur durch eine gigantische Mauer, die sich mitten durch die Stadt zieht. Jenseits dieses Trennwalls liegt New Helgan, die Heimat der Überlebenden des zerstörten Planeten.

Die Logik der Hintergrundgeschichte wird größtenteils behandelt wie ein in Ungnade gefallener Schoßhund: Ab und an wirft man ihm doch noch einen Knochen zu, damit er nicht vollkommen verkümmert, im Grund aber ist er nicht der Rede wert. Dabei hat die Ausgangslage von Killzone: Shadow Fall gewaltiges Potenzial. Insbesondere in Hinblick auf die jüngere Geschichte Europas im Allgemeinen und der Bundesrepublik mit ihrer geteilten Hauptstadt im Speziellen, vielleicht auch in Hinblick auf die andauernde und konfliktschwangere Teilung Jerusalems. 
 
© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

In einem unerbittlichen Bruderkampf stehen sich die Parteien der Vektaner und die Bewohner Helgas im Universum der Killzone Titel gegenüber. Die Staatsform Vektas ist vergleichsweise demokratisch organisiert und propagiert, scheinbar, die Freiheit des Individuums. Die Helghast sind dagegen Nachkommen vektanischer Kolonialisten, die sich vor Generationen auf dem namengebenden Planeten Helgas niederließen. 

Irgendwann spaltete sich die mittlerweile genetisch leicht mutierte Gesellschaft, die Helghast haben sich an die Atmosphäre ihrer neuen Heimat angepasst und sind nun nicht mehr in der Lage den vektanischen Sauerstoff ohne Hilfsmittel zu atmen, von ihrem Mutterzivilisation ab. Der Lösungsprozess und die in diesem Zuge von beiden Seiten erhobenen Ansprüche führten zum Konflikt, schließlich zum offenen Krieg. Letztendlich unterlag der faschistoide Staat der Helghast im für die Playstation 3 konzipierten dritten Teil der Serie, endgültig in einer finalen Entscheidungsschlacht. 

Auch wenn es in unserer Historie, zum Glück, nie zum einem offenen Schlagabtausch, im Sinne der Vernichtungskriege zwischen den verfeindeten Parteien aus Killzone, kam, so gemahnen die Parallelen zu den konkurrierenden Ideologien unserer Zivilisation doch an das Ausmaß einer Eskalation. Denn aus dem totalen Sieg Vektas resultierte die vollkommene Zerstörung Helgas, im Endkampf beider Armeen auf dem Boden der ehemaligen Kolonie. Vergleichbar mit den Folgen eines atomaren Weltkriegs ist der Planet unbewohnbar geworden.

Die Erzählung konstruiert eine Situation, wie sie im Kalten Krieg gegenwärtig war, setzt aber anstelle des Kommunistischen Blogs ein nationalsozialistisch anmutendes Regime. Das spiegelt sich in den überwiegenden Aspekten der dargestellten Helghast wieder. Seien es die Entlehnungen von Uniformattributen der Wehrmacht, abgewandelte Parolen und Propaganda, wie sie aus faschistischen Staaten in Erinnerung sind, bis hin zu Blitzkrieg-Taktiken, die von den Armeen Helgas eingesetzt werden. 

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Insofern entlehnt die Geschichte der Killzones nicht nur Problematiken unserer jüngeren Vergangenheit, sondern spinnt sie zu einem dystopischen, alternativen Szenario. In diesem wird die Frage aufgeworfen, wozu es führt, wenn eine Reichsform wie die Hitlers und all seiner Schergen über längere Zeit und mit futuristischer Technologie gegen einen Zweiten, in Teilen nicht minder fragwürdigen, Machtblock ankämpft. Die neu errungene Ambivalenz von Killzone: Shadow Fall besteht darin, Extremisten beider Seiten zu präsentieren und dabei zumindest oberflächlich nicht zu werten, sondern die Handlung vergleichsweise wertungsbefreit zu erzählen, um den Fokus vermehrt auf das Leid einfacher Menschen zu legen.

Diese Einblicke, in die bisher nur als Schreckgespenst auftrennte Gesellschaft der Helghast entblößen ein erwartet militaristisch geprägtes Kastensystem mit einer Kriegerelite, aber eben auch den Rest der ansonsten bitterarmen, ausgebeuteten Bürger, die in der dominierenden Rüstungsproduktion Federn lassen. 
Dem gegenüber stehen die Vektaner, deren Bürger offenbar in einer Überflussgesellschaft leben und all ihre verbliebenen Sorgen auf den einstigen Erbfeind, die Helghast projizieren. Die Lösung dessen wird der Exekutive überlassen, in Form der ISA (Interplanetary Strategic Alliance) oder auf Vektar der VSA (Vektan Security Agency) vergleichbar mit einer zum Heer aufgeblähten CIA.

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Die Handlung von Killzone. Shadow Fall setzt nach der Vernichtung Helgas ein. Die Überlebenden erhalten in einem spontanen Akt der versuchten Versöhnung Asyl in der Heimat ihrer Widersacher, auf dem Planeten Vektar. In Folge dieser Entscheidung wird der Planet gnadenlos pragmatisch entzwei geteilt, eine Hälfte für die Vektaner, die andere für Helghast. Eine gigantische Mauer soll, gleich dem Eisernen Vorhang, die beiden Gesellschaften voneinander trennen.

Die angestrebte Aussöhnung erstickt jedoch durch diese beeindruckend kurzsichtige Art der „Integration“ schon im Keim. Die Vektaner fühlen sich durch die erzwungene Umsiedelung und die Tür-an-Tür Präsenz des Erzfeindes bedroht und um ihren Sieg betrogen, die Helgas sehen sich selbst als Aussätzige in der Welt derjenigen, die ihre Heimat zerstört haben. Unmut und Rachegelüste schwellen auf beiden Seiten. Zu einem Dialog kommt es nicht. Das verhindert allein schon die Hunderte von Metern hohe und Kilometer lange Mauer, die sich quer durch die Hauptstadt zieht und sie in Vekta-Stadt und New Helgas teilt. Von den Mauern in den Köpfen der Führungseliten auf beiden Seiten ganz abgesehen. 

Als Mitglied der Spezialeinheit der Shadow Marshals, verdeckt operierender Einzelkämpfer der vektanischen Streitkräfte, und willige Tötungsmaschine Lucas Kellan gerät man zwei Jahrzehnte nach dem Einzug der Helgas auf Vektor zwischen die gärenden Fronten. Ein Attentat der Terrororganisation Schwarze Hand, wieder eine schöne Parallele zu unserer Historie, gibt den Auftakt zu einer Eskalation und einem neuen Krieg der Brüdervölker.

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Dieser so unheilschwangere Inhalt wird, entgegen den früheren Titel nicht mehr nur durch düster gestaltete Level transportiert. Ganz im Gegenteil. Man schleicht, kriecht, kämpft in lichten Wäldern, liebevoll gestalteten Parks und Kirschblüten Hainen. Natürlich gibt es auch die gewohnt sinisteren Passagen, die nur so triefen vor Verzweiflung und Verfall. Doch selbst die Operation auf dem verwüsteten Helgas verläuft durch lichtgeflutete Ruinen. Noch nie war ein Killzone Spiel so geprägt von Helligkeit und Farbenfreude. Dieser Kontrast zieht an vielen Stellen sehr viel intensiver in die Handlung, als es eine der schon inflationär gebrauchten Führerbunker Optiken täte. 

Der Detailgrad und die unglaublichen Landschaften gieren darüber hinaus praktisch nach einer Kinoleinwand. Selten bleibt man beim Anblick eines Kieselbecken stehen und bestaunt die grandios realistische Darstellung. Es bietet gewaltige Bilder, während man im Gleitflug auf den zerstörten Planeten Helgas hinabstürzt. Hindurch zwischen zusammenbrechenden Wolkenkratzern und durch aufklaffende Krater und Schluchten, gegen die der Marianengraben wie eine Gehwegfurche aussieht. 

Lobenswert sind außerdem die Interaktionsmöglichkeiten mit vielen herumliegenden Gegenständen. Herumliegendes Werkzeug kann umgestoßen werden, ebenso wie andere Kleinteile. Dabei bleibt diese Innovation jedoch noch in einem Frühstadium stecken. Nur ein geringer Teil der Level ist letztendlich beweglich, von einer Einbindung in die Handlung ganz abgesehen. Die Spielfigur kann noch so brachial und andauernd eine metallene Werkzeugkiste herumschließen, Wachen reagieren darauf noch lange nicht.

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Geschickte Kniffe, auf die der Entwickler Guerilla Games dabei zurückgreift, um eine solch fulminante Optik leisten zu können, übersieht man beim Anblick des Endproduktes gerne. So generieren sich etwa die auf den ersten Blick beeindruckenden Reflexionen an den Glasfassaden der Wolkenkratzer aus dem immer gleichen Datenspeicher und stimmen nicht mit den Bauten der Umgebung überein. 

Und auch die gigantische Metropole selbst, in der die Handlung des Spiels zum größten Teil angesiedelt ist, rendert ihre Strukturen zwar in Echtzeit, allerdings wiederholen sich die Gebäudepassagen in unauffälligem Abstand. Diese Tricks sind weder Faulheit noch fehlender Sachkenntnis geschuldet, sie dienen der Entlastung des Arbeitsspeichers und führen im Gegenteil dazu, dass durch die freigewordenen Ressourcen am Ende ein Full-HD Shooter steht, der sich sehen lassen kann.

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Diesen Sprung hin zu 1080p Erlebnis möchte man natürlich auch voller Stolz herzeigen. Und nicht mit einer überladenen Blickfeldanzeige wieder reduzieren. Das HUD ist dementsprechend angenehm zurückhaltend. So lässt sich die fulminante Landschaft durchaus angemessen genießen. Das ist insofern bemerkenswert, da die Aktions-Möglichkeiten, auch im Vergleich zu den Vorgängern, einigermaßen komplex ausgefallen sind. Parallel zu den eigenen Bewegungsabläufen (hocken, sprinten, springen, klettern), zur Bedienung der Primär- und Sekundärwaffe, ihrer verschiedenen Modi und technischen Hilfsmitteln wie etwa einem Umgebungsscanner gesellt sich auch noch eine Drohne, die es inmitten der futuristischen Kriegsszenarien zu befehligen gilt. 

Klingt das zunächst nach Fingerakrobatik und chronisch drohender Sehnenscheidenentzündung, erweist sich die Steuerung in der Praxis als gar nicht so dramatisch. Das Entwicklerteam verteilt die einzelnen Aktionen geschickt über das Gamespad. Mit den Schultertasten bedient man die Waffen, das rechte Tastenfeld ist für die Bewegungen zuständig, das linke für alle anderen optionalen Hilfsmittel. Bei der PS4 kommt das Trackpad in der Mitte des Controllers hinzu, hierhin wurde die Steuerung der Drohne ausgelagert. 

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Wenig Anleitung, mehr Möglichkeiten. Das scheint sich Guerilla Games für diesen Titel auf die Fahnen geschrieben zu haben. Im Rang eines Shadow Marshal, der, wie die Bezeichnung vermuten lässt, hauptsächlich verdeckt und auf sich gestellt hinter den feindlichen Linien operiert, schleicht sich der Protagonist durch die Spielwelt mit ihren so unterschiedlichen Themengebieten. 

Im Gegensatz zu bekannten Shootern wie Call of Duty oder Battlefield geht es dabei primär darum unerkannt zu bleiben. Diese Schleicheinlagen werden dann aber doch immer wieder durch rüde Kampfszenen durchbrochen und wer nicht auf Heimlichkeit bedacht ist, der kann sich auch durchgängig den Weg freiballern. Der Reiz aber liegt darin, sich möglichst unbefleckt durch die Reihen der Gegner zu rangeln. Dennoch fehlt es letztendlich doch an einigen Einlagen, in denen man im Verbund kämpft, auf Dauer ist die „Einsamer Wolf“ Taktik nicht besonders unterhaltend. 

Das liegt nicht zuletzt an der Titelfigur Lucas Kellen, der einsilbig und stupide durch die Gegenden von Killzone schaukelt. In einem ironischen Anflug der Entwickler wird er in einem Dossier, dass man als Boni in einer der Welten einsammeln kann, als nur „mittelmäßig intelligent“ beschrieben. Das passt. 

Der heimliche Star ist ohnehin das vekta-helgas Halbblut Echo. Sie ist das Gewissen des Spiels und scheint letztendlich die einzige Person zu sein, die klar voraussieht, in welch eine Katastrophe ein eskalierender Konflikt führen wird. Sie ist es auch, die Lucas letztendlich überzeugt, sich für eine friedliche Lösung einzusetzen. Gerne würde man noch tiefer in ihre Vergangenheit und Zukunft eintauchen. Guerilla Games hat mit Echo hoffentlich noch einiges vor.

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Noch an einigen anderen Stellen hat der Titel Nachholbedarf: das eine gesamte Textpassage plötzlich in Englisch vorgetragen wird, spricht nicht für die Sorgfalt der Synchronisation, die ohnehin schon sehr grenzwertig ist. Die Dialoge bleiben flach und durchsetzt von stereotypen Parolen. 

Die KI der Gegner ist überschaubar, fällt aber letztendlich nur dezent negativ auf. Das liegt nicht zuletzt an den gut strukturierten Leveln, die so aufgebaut sind, dass sich anstürmende Soldaten oder alarmierte Wachen schon ziemlich belämmert anstellen müssten, um einen Eindringling zu übersehen. 

Die Spielsequenzen, in denen euch Echo als Scharfschütze zur Seite gestellt wird, leiden unter der Allmacht dieser, eurer Kameradin. Der Winkel kann noch so unmöglich sein, Misses Bull’s Eye erledigt jeden Feind mit einem präzisen Schuss. Vollkommen Wurscht ob sich dieser gerade unter Metallschirmen oder hinter meterdicken Betonwänden verbirgt. 

Generell werden getötete Gegner von einer effekthaschend glänzenden Blutlache umflossen. Das sieht so lange gut aus, bis man einen Soldaten in Richtung einer Wand niederschießt. Dann ignoriert der rote Lebenssaft gerne die Gesetze der Schwerkraft und sickert unbekümmert die Wände hinauf. 

Stirbt der Charakter während man eine Drohne steuert, so bleibt die Perspektive stehen, das kleine Helferlein rennt fröhlich weiter und hinterlässt die Waffen der Spielfigur, die doch eigentlich in einem ganz anderen Abschnitt des Levels wartet. Versucht man, noch lebend, mit der Drohne den Protagonisten einmal zu betrachten, so hat sich dieser auf wundersame Weise verflüchtigt und ist nicht an der Stelle zu finden, wo man ihn zurückgelassen hat und auch wieder in seine Haut schlüpft, wenn man die Drohne aufgibt. 

Relativ krasse Logikfehler, die man bei aktuellen Titeln nicht mehr gerne verzeiht.  

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Zusammenfassend bleibt Killzone als Launch-Titel der PS4 doch positiv in Erinnerung. Die farbenschwangere Optik ist daran alles andere als unschuldig. Sie und die Mythologie tragen eine darüber hinaus doch recht flache Handlung, die viel verspricht, und dabei doch so vorhersehbar bleibt. Es zieht sich durch den Verlauf der Killzone Serie, die Spiele haben gewaltiges Potenzial, das sie jedoch nie auszuschöpfen wagen. Festzuhalten bleibt, dass Guerilla Games mit Killzone: Shadow Fall mutiger agiert, als je zuvor. Die Schritte gehen in die richtige Richtung. Mehr davon.

© Guerilla Games / Killzone: Shadow Fall / 2013

Exkurs: Kurzweilig bleiben die Mehrspieler Modi mit ihren variablen Spielkarten und Szenarien. Wie schon bei den alten Killzone Titeln sind über Deathmatch und verschiedene Capture-the-Flag Abwandlungen etliche Kombinationen spielbar. Die Karten sind überschaubar, bieten dabei aber dennoch genügend Raum für taktische Spielereien und lassen an vielen Stellen auch die schön gelobte grafische Raffinesse durchschimmern. Leider bietet sich dem Spieler darüber hinaus wenig Möglichkeit zur eigenen Entfaltung. Sämtliche persönliche Erweiterungen sind kostenpflichtig und die Auswahl hält sich zum momentanen Zeitpunkt noch sehr in Grenzen. 

Darüber hinaus ist das Einstellungsmenü unübersichtlich und unnötig verstrickt aufgebaut. Hier ruht noch viel ungenütztes Potenzial, bei dem Guerilla Games nachbessern könnte und muss, um den Online-Aspekt und damit die Langlebigkeit des Titels zu verlängern.