Wer Aal hat, hat die Qual!

© Ubisoft / Rayman Origins / 2013
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Ein reanimierter Videospiel-Klassiker stellt sich und andere unter Strom
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Von Hubertus J. Schwarz   2. Januar 2014


Berlin, Deutschland – Ein schon totgesagter Videospiel Klassiker besinnt sich seiner Anfänge. Rayman Origins kehrt in 2D und mit anarchischem Humor zu den urtümlichen Wurzeln des Jump&Run zurück. Das Ergebnis ist infantil. 

Verdammt schwer dieses Spiel nicht zu mögen. Mit abstrusen Welten, ihren verqueren Bewohnern, die einem Kinder(alb)traum entsprungen zu sein scheinen und einem Soundtrack, für den der Ausdruck unorthodox ein Euphemismus wäre. Rayman kehrt in bester Jump&Run Optik, von links nach rechts in 2D, auf den Computer und Konsolenbildschirm zurück. Das Entwicklerteam von Ubisoft lässt keine Zweifel daran, dass es mit Rayman Origins einen ziemlich üppigen Clown gefrühstückt hat.
 
Diese Rotnase liefert als Plot gleich einen Stimmungsknaller: Alles ist friedlich auf der Lichtung der Träume. Rayman, sein bester Freund und Kupferstecher Globox und noch einige andere Chaoten verschlummern ihre Tage in aller Seelenruhe. Es gibt nichts zu tun, außer sich mit Früchten vollzustopfen und dann ein Verdauungsschläfchen zu halten. Man könnte meinen, alles ist ruhig und in bester Ordnung. 
 
Nun nicht ganz. Denn Rayman und Co. veranstalten bei ihren ausgedehnten Ruhepausen ein Schnarchkonzert, das den gesamten Wald erbeben lässt. Diese Kakofonie tönt bis hinab in die Domäne der Verstorbenen. Und die eigentlich friedvoll Entschlafenen fühlen sich in ihrer Totenruhe sehr gestört. Das muss aufhören! Und so schicken die noch erstaunlich vitalen Leichen ihre Schergen los, um dem Krach ein Ende zu setzen. 
 
Dabei stoßen die Fieslinge das empfindliche Gleichgewicht der Welt aus seiner Bahn. Rayman bleibt nichts anderes übrig, als die Ordnung wieder herzustellen und dafür die vor Angst in alle Richtungen geflüchteten Lums, Lebensenergie in Gestalt kleiner Glühwürmchen, zurückzuholen. Mit dieser unverhohlen absurden Story, setzen die Spieldesigner aus Frankreich ihre Marke.

© Ubisoft / Rayman Origins / 2013
Michel Ancels jüngste Schöpfung präsentiert sich als bekömmliches Schmankerl für detailverliebte Nostalgiker. Große Höhenflüge und täuschend echt wirkende Texturen sucht man dabei vergebens. Aber darauf legt bei diesem Genre auch niemand wirklich gesteigerten Wert. Es geht darum, die Stimmung zu transportieren und das gelingt durchgehend gut. Zwar bleiben sie und auch die einfältige Handlung oft genauso zweidimensional, wie es die Bildschirmansicht ist, immer unter dem Vorwand, das Spiel müsse ja auch Kinder ansprechen können, dennoch wären ein paar alternative Emotionen für die verschiedenen Level und deren Bewohner recht auflockernd gewesen. So rutscht Rayman durch eine mehr oder weniger feuchtfröhliche Welt, die eigentlich nichts anders ist, als unbeschwert. 

Die liebevoll handgemalten Landschaften mit ihren kunterbunten Passagen  bieten dennoch ein tolles Bild. Anarchische Level mit Namen wie „Ba-Ba-Ballermann“ oder „Wer den Aal hat, hat die Qual!“ tun ihr Übriges, um klar zu machen, dass dieser Titel prinzipiell nichts ernst nimmt, dafür aber ziemlich herzig aussieht. Damit kalkuliert Ubisoft.  

Die Spielfigur rangelt sich durch Küchen, Klangwüsten, Piratenbuchten, den Darmtrakt eines gigantischen Drachen mit ebensolchen Verdauungsproblemen, Gewitterwolken und einen wunderbar schrägen Hades, in dem die Toten mit ihren Gebeinen Boccia spielen. Besonders aber ein denkwürdiger Soundtrack mit levelspezifischem Klang und wunderbar schrägen Gesangs- und Toneinlagen macht das Spiel so kurzweilig. 

Westernklänge like Django, während man in der Unterwelt gegen tattrige Omi-Zombies mit gemeingefährlichen Handtaschen antritt, haben viel für sich und selten werden Didgeridoos so stimmungsvoll in Szene gesetzt. Gerade im Kontrast zu den superrealistischen Action-Shootern, die aktuell den Videospiele Markt beherrschen, sind die Klänge von Rayman ein echter und lustiger Genuss.

© Ubisoft / Rayman Origins / 2013
Mit der Komik hat es so seine Tücken. Es bleibt sehr viel schwerer eine gute Komödie zu schreiben, als ein gutes Drama. Dehnt man diese Binse auf eine Länge aus, über die ein Videospiel unterhalten soll, so potenziert sich der Schwierigkeitsgrad. Auch Rayman Origins schafft es nicht über die gesamte Strecke hinweg lustig zu sein. Dazu hat man sich an den Fratzen und Verrenkungen der Spielfiguren und den Pseudodialogen zu schnell sattgesehen und gehört. Leider fehlt es dann aber über die so verschiedenen Level hinweg an anderen Einfärbungen. 

Es gibt keine schaurig-schönen oder traurig-tristen Sequenzen. Die Spielcharaktere, Gegner, Endbosse, Pflanzen, Landschaften, Hilfsmittel, Musik, Tanzeinlagen, Belohnungen, kurz alles, was da kreucht und fleucht, alles muss witzig sein. Und bei so viel inflationärem Gag bleibt die Wirkung irgendwann derangiert auf der Strecke. Bei seinem zum Klassiker gealtertem Urahnen (Rayman wird dieses Jahr 16) durchlief oder hüpfte man als Rayman noch Passagen, die eine Verschnaufpause von all den spaßigen Einlagen garantieren. Das fehlt in Rayman Origins leider einmal zu oft.

© Ubisoft / Rayman Origins / 2013
Im guten alten Jum & Run Stil manövriert der Spieler den Protagonisten von links nach rechts durch über 60 verschiedene Level. Das funktioniert springend, rutschend, schlagend, tauchend, schwebend und ist im Grunde selbsterklärend. 

Dabei gilt es viele, möglichst sogar alle, Lums einzutüten, die einem auf dem Weg begegnen. Die Lums bilden das Äquivalent zu Sonics Ringen oder Marios Ringen und am Ende jeden Levels gibt Belohnungen, so man bestimmte Mengen der drolligen Leuchtkugeln gesammelt hat. 

Diese ansonsten simple Steuerung erweist sich jedoch als leider allzu oft grobmotorisch. Sich in rasantem Tempo durch den Bildschirm und die Spielwelten zu boxen geht immer, ist aber doch auf Dauer reizfrei. Gilt es dann eine Punktlandung hin zu bekommen, treten Rayman und Co. regelmäßig in Streik. Besonders bei den Rennen gegen bockige Schatztruhen fehlt der Steuerung das Feintuning und man kann schon mehrere Dutzend Anläufe damit zubringen, durch das Level zu hopsen. Das ist beinahe frustrierend, aber eben nur beinahe.

Dabei unterscheiden sich die Handhabung unterschiedlichen Spielfiguren nicht voneinander. Neben dem guten alten Rayman sind dieses Mal auch sein bester Freund und Kung-Fu-Mastodon Globox oder verschiedene Kleinliche spielbar. Im Laufe der Handlung schalten sich mehr und mehr, letztendlich aber nur Variationen der ersten Charaktere frei. 

© Ubisoft / Rayman Origins / 2013
Eine Katastrophe im besten Sinne bricht in Form des Multiplayer-Modus über die Welt von Rayman herein. Mit bis zu vier Spielern, die sich gänzlich frei in eine laufende Partie ein- oder ausklingen können, durchstreift man die  Level auch im Team. Das macht das Vorankommen in der Handlung sehr viel einfacher und bringt mächtig Spaß, gerade weil das Ganze nach wenigen Augenblicken in ein furchtbar chaotisches Kuddelmuddel ausartet. Leider ist das nur für Konsolen- oder Computerspieler möglich, die PS Vita Version des Titels beinhaltet keinen Mehrspielermodus, ist aber ansonsten praktisch identisch mit dem Konsolenspiel. 

Zwar verändert sich der Schwierigkeitsgrad nicht und auch sonst gibt es keinerlei Inhalte, die sich für die Mehrspieler auftäten, dennoch ist der spielinterne, das heißt gänzlich von Ubisofts Game-Lauscher unabhängige, Multiplayer eine gelungene Sache. 

© Ubisoft / Rayman Origins / 2013

Wer sich seine Kindheit auch nur in einem Quantum bewahrt hat, der wird sich mit diesem Jump&Run Spiel zumeist köstlich amüsieren und derjenige, der seinen jugendlichen Frohsinn verloren zu haben glaubt, wird ihn in Rayman Origins erst recht wieder entdecken.


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