In Ewigkeit. Amen.

© ServusTV / Peter Paul Rubens Höllenvorstellung / 2015



Ein, zwei, drei Jenseitsvorstellungen im Vergleich
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Von Martina Lettner     24. Oktober 2015

Salzburg, Österreich – Tod, aus, Ende? Keineswegs, wenn es nach bestimmten Religionen geht. Die Jenseits-Verheißungen von Christentum, Judentum und Islam sind seit Jahrhunderten ein Verkaufsschlager. Ein Überblick über das göttliche Angebot der drei großen Buchreligionen - Ein Beitrag von ServusTV Redakteurin Martina Lettner.

Janna ist das Ziel: Die Gärten Eden, in denen Bäume stehen, deren Schatten so weit verlaufen, dass ein Reiter in hundert Jahren ihr Ende nicht erreichen wird. Wo unablässig Ströme von Milch, Wasser und Honig fließen. Gläubige in Seiden-Gewändern durch das Paradies lustwandeln oder auf golddurchwirkten Ruhebetten fläzen, wo sie humpenweise Wein trinken, von dem sie kein Kopfweh bekommen. Dazwischen werden von ewig jungen Knaben Früchte und Geflügel kredenzt. Als Dessert gibt es Jungfrauen, 72 an der Zahl, jung, großäugig und mit schwellender Brust, die der Verstorbene – nun ausgestattet mit hundertfacher Manneskraft – vernaschen darf. 

Der postmortale All-Inlcusive-Club ist allerdings eine recht exklusive Angelegenheit: Rein darf nur, wer auf Erden gläubiger Muslim war.

Der postmortale All-Inlcusive-Club ist allerdings eine recht exklusive Angelegenheit: Hinein darf nur, wer auf Erden gläubiger Muslim war. Allen anderen stehen ewige Qualen in der Hölle bevor. Da helfen weder Ruhm noch Reichtum, warnt Sure 4 des Korans: „Wo immer ihr seid, der Tod wird euch erreichen, auch wenn ihr in hochgebauten Burgen wäret.” Und nur der Islam kann helfen, ihn auf ewig zu überwinden. 

So verheißungsvoll das Paradies für Gläubige auch zu sein scheint – der Weg dorthin ist auch für sie steinig, der Eintritt nicht gesichert. Nicht einmal gute Taten und strengeer Glaube reichen für einen Direktflug nach Janna – Allah fällt sein Urteil nach eigenem Ermessen. 

Das Ewige Leben ist nun einmal ein kostbares Gut. über die Jahrhunderte mauserte es sich zum globalen Verkaufsschlager, nicht nur im Islam. Alle drei großen Buchreligionen – Judentum, Christentum und Islam – verbreiten die Kunde vom Ewigen leben und ernten dafür viel Aufmerksamkeit – von fast vier Milliarden zahlenden Mitgliedern. Jede nimmt für sich in Anspruch, im Gegensatz zu den anderen die einzig wahre Lehre zu verkünden – obwohl jede von ihnen auf Bibeltexten basiert. Die Auslegungen und abgeleiteten Lehren wandelten sich im Laufe der Zeit, das Ewige Leben als Versprechen aber eint sie bis heute. Es ist ihre Unique Selling Proposition, ein Produkt, das keines der weltlichen Unternehmen anbietet. Und dessen Qualität praktischerweise keiner überprüfen kann. 

Ähnlich der christlichen Tradition ist das Ewige Leben bzw. die Auferstehung der Toten im Islam Teil eines endzeitlichen Dramas, das in einem groß angelegten Prozess gegen die Menschheit gipfelt: – vor dem sogenannten Jüngsten Gericht. 

Ob gelt oder verschont geblieben – alle landen schließlich vor dem Jüngsten Gericht – wer hier nicht besteht, stürzt in die Hölle. Ungläubige müssen dort ewig bleiben, sündhafte Muslime dürfen darauf hoffen, nach einer Zeit der Läuterung doch noch ins Paradies einzutreten und nebst dem Allmächtigen zu sein. 

Das ist das höchste Ziel, darin liegt letztlich der Lohn für alle Anstrengungen im irdischen Leben. Dafür ist man Muslim. 

© ServusTV / Ein indischer Muslim mit dem Koran beim Morgengebet. / 2015


Oder eben Christ.
Während für Fatalisten der Islam die richtige Wahl ist, ist das Christentum eher etwas für autoritätshörige mit Hang zu Selbstvorwürfen, vor allem in seiner römisch-katholischen Ausprägung: Mea culpa. Nur Gott kann die große Schuld vergeben, die jeder Mensch auf sich lädt, sei es durch das Brechen der zehn Gebote oder durch eine der sieben Todsünden. Sogar wer tadellos lebt, ist auf Gottes Gnade angewiesen, schließlich ist der Mensch von Natur aus befleckt und sündig. Zu verdanken ist dies Adam, der sich im Paradies einen Fehltritt mit einem Apfel erlaubt hat – und nun im christlichen Verständnis die Erbsünde von Generation zu Generation weiterreicht. Dennoch gibt es auch für Katholiken Chancen auf ein Ewiges Leben im Himmel voller Freuden und unvorstellbarer Annehmlichkeiten – wenn sie nur am Glauben festhalten und ihre Kinder christlich erziehen. 

Damit ist der Nachschub an Schäfchen und zugleich ein dauerhaftes Einkommen für die Kirche gesichert – das Versprechen des Ewigen Lebens erwies sich als „recurring revenue business model”, als eine dauerhaft einträgliche Geschäftsidee. Einige Zeit experimentierte die römisch-katholische Kirche auch mit anderen Bezahlsystemen als dem wöchentlichen Klingelbeutel für das ewige Seelenheil: Die gepredigte Idee, sich von seinen Sünden freikaufen zu können, setzte sich nicht durch, schien das Volk nicht überzeugen oder zu befriedigen – der Klingelbeutel der Kirchen füllte sich nicht. 

Wie der Weg zum Ewigen Leben, in den Himmel, aussieht, darüber herrscht in der römisch-katholischen Kirche nach wie vor Uneinigkeit. Nach dem Evangelisten Matthäus werden am Jüngsten Tag alle Menschen aus ihren Gräbern auferstehen und vor das Weltgericht treten, das Jesus in Gottes Namen halten wird: Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Sein Kollege Johannes hat die Geschichte anders in Erinnerung: Die Guten werden am Jüngsten Tag direkt in den Himmel auffahren, nur die Zweifelsfälle und Schlechten kommen vor den göttlichen Kadi. Die Urteile waren bei beiden absolut, eine Läuterung nicht vorgesehen. 

Gute Seelen dürfen Direttissima in den Himmel, schlechte fahren schnurstracks zur Hölle mit all ihren unendlichen Qualen. Zweifelsfälle werden zur seelischen Reinigung ins Fegefeuer geschickt.

Erst später wurden Fegefeuer, Limbus und Partikulargericht ergänzt: Laut Papst Benedikt XII kommen die Seelen sofort nach dem Tod vor das Partikulargericht, wo sich ihnen drei Wege auftun. Gute Seelen dürfen direttissima in den Himmel, schlechte fahren zur Hölle mit all ihren unedlichen Qualen. Zweifelsfälle werden zur seelischen Reinigung ins Fegefeuer geschickt.  

Nur ungetauften Kindern bleibt der Richterspruch erspart. Sie kommen in den Limbus, einen neutralen Ort ohne Folter – aber auch ohne Freuden.  

Evangelische Christen müssen weder vor Gottes Gericht noch ins Fegefeuer. Sie haben beides aus ihren Lehren getilgt. Für den Zürcher Reformator Huldrych Zwingli war die Sache klar: „Stirbt einer imm glauben, so wirdt er heyl, stirbt er in unglaubnis, so wirdt er verdamt. Hie zwüschend mag nüt fallen.” 

Doch welche Taten beweisen wahren Glauben? – Und was ist ein Vergehen im christlichen Sinne? Einst waren auch unbeabsichtigte Fehltritte bitter bestraft worden. Mit den Jahrhunderten wurde der strenge Katholizismus jedoch altersmilde, zumindest in Europa: Heute muss nur büßen, wer willentlich anderen schadet. Damit steigen auch die Chancen, dereinst im Himmel frohlocken zu dürfen. 

Im Judentum, der ältesten der drei Religionen, sieht man die Geschichte mit dem Ewigen Leben etwas gelassener. Freilich glauben auch Juden an die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung der Toten. Doch wird Olam Haʾba erst kommen, wenn „es dem Schöpfer beliebt”, erklärt Maimonides in seinen Dreizehn Glaubensartikeln – und das kann dauern. Vielleicht bis in alle Ewigkeit, vertraut man den Worten des Rabbi Jochanan: „Der Sohn Davids wird nur in einer Generation erscheinen, die entweder gänzlich rechtschaffen oder gänzlich böse ist.” Das wird so schnell nicht der Fall sein, weshalb sich Juden mehr mit dem Leben im Hier und Jetzt befassen, als auf eine Belohnung in ferner Zukunft zu hoffen. 

© ServusTV / Mitglieder der jüdischen Samaritergemeinschaft beten auf dem Berg Garizim mit einer reich verzierten Thora / 2015

Zwar kennen sie das Paradies (Gan Eden) und das Fegefeuer (Gehimon) nach dem Tod, doch gilt beides eben nur als kurze Zwischenstation auf dem Weg zu Olam Haʾba, der Welt, in der die Toten auferstanden sein und in Gegenwart von Gott friedvoll miteinander leben werden. Allerdings nicht – wie in der christlichen Vorstellung – im Himmel oder im Garten Eden, wie er im Islam beschrieben wird: In Olam Haʾba wird es Reiche und Arme, Starke und Schwache geben, doch statt Krieg und Schwertern werden Güte und Weisheit regieren und Frieden bringen.

Das Diesseits wirkt auch im ewigen Jenseits nach.
Bis diese Ewigkeit kommt, hält die Thora mit 613 Ge- und Verboten eine recht lange Liste an Dos and Donʾts für das irdische Dasein parat. Doch auch damit pflegt das Judentum einen recht bodenständigen Umgang: Um mit all den Gesetzen zu leben, muss man sie auslegen und an die Zeit anpassen können. Gipfel der theologischen Flexibilität ist das Prinzip Pikuach Nefesch: Geht es um die Rettung einer Seele, dürfen selbst am heiligen Sabbat fast alle Gesetze übergangen werden.  
Doch nicht einmal Gott kann alles regeln: Kommt ein anderer Erdenbürger zu Schaden, muss der Jude das direkt mit ihm ausschnapsen. Viel Arbeit also für die Juden auf Erden, Himmelreich hin, Hölle her.
 
Juden sind für ihr Tun, Wohl und Wehe auf Erden selbst verantwortlich, gröbere Vergehen im Glauben muss jeder für sich selbst mit Gott regeln – die Zwiesprache läuft direkt ab, im Judentum gibt es keine Verbindungsmänner, wie etwa Aposteln. Und nicht einmal Gott kann alles regeln: Kommt ein Erdenbürger durch einen anderen zu Schaden, muss der Täter das direkt mit ihm ausschnapsen. Viel Arbeit also für die Juden auf Erden, Himmelreich hin, Hölle her.  

 All das brachte eine typisch jiddische Mischung aus Pragmatismus und Augenzwinkern im Glauben hervor. Während ein Muslim auf die Frage, wie ein Mensch ins Paradies komme, sagen wird, es läge in Allahs Hand, und ein Katholik auf Buße und Gottes Gnade pochen würde, kann es bei einem Juden durchaus passieren, dass er mit einer Gegenfrage antwortet: „Ja hat er denn keine anderen Zores?” 

Amen.  

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