Ich lebe Hip Hop

© ahnungsvoll / Graz / 2011



Drogen, Alkohol, Huren, fette Autos und Schmuck - das ist Hip Hop, oder? 
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 Von Natanja C. Reitner    27. Juni 2011 


Graz, Steiermark – Angeberei über Money und Bitches, ich bin größer, besser, schneller, tödlicher- das ist Hip Hop, oder? Manuel und four elements sehen das ganz anders. „Mit Hip Hop kannst du aus der Scheiße, die du erlebt hast, etwas Gutes machen.“

In einem Szenelokal prangt ein Bild von Marilyn Monroe im roten Kleid. Musik ist zu hören, fast zu laut um als Hintergrundbeschallung durchzugehen. Es ist Popmusik, die Charts der letzten Monate werden rauf und runter gespielt. Durch die hohen Glasfenster blickt man über die roten Dächer der Grazer Altstadt. Auf einer Bank lümmelt ein junger Mann. Er passt irgendwie nicht ins Bild. Inmitten einer beigen Landschaft von Kunst­ ledersesseln erfüllt er ein Klischee: Baggypants, weites Shirt, eine Kappe, nicht ganz auf den Kopf gesetzt. Zur Begrüßung formt er mit zwei Fingern ein V und nickt mit ernstem Gesichts­ausdruck.

Trotz Hip Hop Outfit ­ oder vielleicht auch gerade deswegen ­ fühlt Manuel sich hier wohl. Er lebt die Botschaft „Love, Peace, Unity & Having fun“. Dies ist der Leitspruch des Vereins four elements, eine Grazer Institution, ohne die, laut Manuel, die Hälfte des Hip Hop Geschehens in Graz gar nicht stattfinden würde. Die vier Elemente Rap, BboyingBgirling (im allgemeinen Sprachgebrauch auch unter Break­ dance bekannt), DJing und Graffiti sollen ein Weg aus dem Negativen in das Positive sein. Energie in die richtige Richtung lenken, kreativ sein, akzep­ tiert werden, Freunde finden. Keine Huren, keine schnelle Kohle, kein Bling Bling. Manuel ist nicht zufrieden mit dem Stereotyp. Der 22 Jährige ist seit sieben Jahren Tänzer, mit „seinem“ Tanzstil, dem Popping, wurde er 2007 Europameister.

Er verdient sein weniges Geld durch Tanzstunden, dem Organisieren von Events und dem einen oder anderen Auftritt. Sein Lebensinhalt sind die vier Elemente. „Gangsterrap prägt das Klischee Hip Hop. Doch die Botschaft soll sein: ‚Du hast Scheiße erlebt, du kannst trotzdem was Gutes daraus machen‘.“ Leute wie Manuel und der Verein four elements wollen vor allem Jugendlichen Perspektiven auftun. Kurz nach seinem Europameistertitel 2007 erlitt er eine Bandscheibenver­ krümmung und durch einen darauf folgenden Bandscheibenvorfall wurde ihm seine größte Leidenschaft für fast zwei Jahre geraubt. Doch er gierte nach der Bewegung, den Moves, dem Tanz. Nach einer nicht enden wollen­ den Odyssee von Arzt zu Arzt konnte ihm schließlich geholfen werden. „Ich tanze wenn ich fröhlich bin, wenn ich enttäuscht, wütend, traurig bin.“ Seine Wirbelsäule täte ihm zwar noch weh, doch physiotherapeutische Übungen und Krafttraining auf einer Power­ plate helfen.

Die Aussicht darauf, nie wieder tanzen zu können, bestärkten seinen Beschluss, sein Leben dem Hip Hop zu widmen. Heute trainiert er Jugendliche aller Schichten in den verschiedensten Locations. Er will ihnen Hoffnung geben, dass Hip Hop mehr ist, als eine Möglichkeit, seine Eltern mit tief sitzenden Hosen zu ärgern. Auf seinem Rücken prangt ein riesiges Tattoo, das die vier Elemente und eine jubelnde Menge zeigt. Und ihn selbst, mit ernsten, fast grimmigen Gesichts­ ausdruck. „Man sagt mir, ich würde auf dem Bild zu ernst schauen. Aber das ist Absicht, weil für mich Hip Hop eine ernste Sache ist."

Der Beat durchfährt auch noch die Körper der Leute, die draußen vor­ bei gehen. Manuel, der vor einigen Stunden noch mit glänzenden Augen erzählend im Szenelokal saß, bewegt sich nur minimal. Er steht im Kreis, der sich um den Breakdancer in der Mitte gebildet hat. Jeden Moment ist er selbst dran, er lässt sich auf den Beat ein, lässt ihn durch seinen Körper fließen wie das Blut in seinen Adern. Der Kreis wird frei, Manuel tritt hin­ ein. Sein Körper wird von der Musik erfasst und er beginnt. Seine Muskeln, seine Glieder, sie gehorchen nicht ihm selbst, sie gehorchen der Musik, dem Stil, dem Lebensgefühl. Die tobende Menge um ihn herum nimmt er nur oberflächlich wahr und er gibt sich hin. Er gibt sich dem hin, was für ihn wie atmen sein kann.  Er lebt ihn, den Hip Hop. 

"Ich lebe Hip hop". Unter dieser Philosophie etabliert sich die Hip Hop Szene in Graz. TeilZEITzeugin berichtet in joe 3 über die Four Elements.     



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