Prophet im Rückwärtsgang

© ahnungsvoll / Prophet im Rückwärtsgang / Zürich / 2011





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Von Pegasus und Sonnenkönigen – Gedanken zum Thema Zeitreise 
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Von Hubertus J. Schwarz   4. Dezember 2011


Zürich, Schweiz – Zeitreisen sind ein Thema über das man nicht genug nachdenken kann. Die Blickwinkel aus der Zukunft der Vergangenheit, in der Wir uns ja gerade befinden, sind dabei so vielfältig. Diese hier sollten dazu auch nicht ganz ernst genommen werden. Ich reise – Reise, Reise, Seemannsreise – durch die Zeit im Geist allein.

Gefährte ist ein Pegasus aus Leim und Pappe und Gestein.
Er schwebt auf kümmerlichen Flügeln aus dem Dunkel in das Licht.
Und ist dabei der makelhafte Rappe, seine Glieder schwer von Gicht.
Die Sonne brennt ihm seine Schwingen und er stürzt den Himmel ein.
Darunter thront der König und versucht ein Gott zu sein.
In seine Welt bin ich gefallen, gefangen und dabei doch frei,
Denn das Sein ist eine Bühne und Leben nur Schauspielerei.
Ich ­flüstre in das Ohr der Sonne, bin Prophet im Rückwärtsgang.
Und weiß, was noch geschehen wird, 
weil ich die Folgen absehen kann.
Doch der Flügelschlag bleibt ohne Deutung in der Zeit allein,
meine Worte schluckt das Chaos, bin Tropfen auf dem heißen Stein."

Wenn also ich in Zukunft lebe und dann aus irgendeinem Grund in die Vergangenheit ­geschicksalt werde. So käme ich zweifellos auf dem Schoß von Louis – dem alten Kameltreiber – XIV. an. Also im Barock, was sich natürlich von selbst versteht. Dort, so wie man weiß, versteht man die Welt als Parkett und Bühnenboden für das Schauspiel des Lebens. Das sagt freilich keiner, aber alle denken es. Alle die Zeit zum Denken haben, der Rest muss für die Denker schuften. Das nennt man dann delegierte Arbeitsteilung. Die, die intelligent genug sind, setzen sich auf die Spitze des Gesellschaftshaufens und delegieren alle Arbeit nach unten. Die darunter wieder an die Subjekte unter ihnen, ­ecetera, ­ecetera. So geht es die steile Gesellschaftspyramide abwärts, das jeder Ägypter ganz aus dem Häuschen wäre. Bis man am breiten Sockel der Installation angelangt ist, wo es schlicht nichts mehr zu tun gibt. Dieses verheißungsvolle Nichtszutun delegieren dann die ­Spitzenpyramidler wieder zu sich nach oben – delegierte Arbeitsteilung.
Ich, also auf dem durchlauchten Schoß des allerheiligsten Königs von Frankreich wäre gleich in mehrfacher Hinsicht in einer interessanten Lage. Nicht für lange, aber doch lange genug um ­mir folgenden Gedanken zu machen: Was wenn ich ein Prophet im Rückwärtsgang bin? 

Es liegt ja in der Natur eines Zeitreisenden, bestimmtes Wissen vorwegzunehmen. Ganz einfach aus dem Grund, dass er schon erlebt hat, was noch geschehen wird/soll/könnte. Das wirft nun die Frage auf, was geschehen würde, wenn man das was in meiner Zukunft schon geschehen ist, im Hier und Jetzt verhindern würde. Beispielsweise könnte ich doch nicht meinen eigenen Großvater umbringen, denn täte ich das, so würde ihm das Zeugen meines Vaters und diesem die Bereitstellung meiner Existenz erheblich erschwert. Und letztendlich unmöglich gemacht. So würde es mich aber nie geben und deshalb könnte ich wiederum nie in der Zeit zurückreisen, um meinen eigenen Großvater umzubringen – das Großvater Paradoxon.

Um die Vergangenheit zu ändern, würde es wahrscheinlich schon ausreichen überhaupt in diese zu reisen. Ohne das Ich dort einen Fuß auf vergangenem Boden gesetzt habe würde meine bloße Existenz schon Prozesse in Gang setzen, die alles Zukünftige beeinflussen würden. Das wiederum ist der Schmetterlings-Effekt. Ein Schmetterling schlägt irgendwo auf der Welt mit den Flügeln. Wirbelt Luft auf. ­Dieses Lüftlein weht nun in der Botanik herum und bläst Blütenpollen in die Nüstern eines Gnus. Das Gnu niest und überhört dabei den herannahenden Großwildjäger Ernest Hemingway. Ernest schießt, Gnu stirbt, Ernest isst Gnu. Ernest verschluckt sich, Ernest stirbt. Und wäre der Schriftsteller nicht gestorben, so hätte er ein Buch geschrieben, dass meinen Vater dazu ermutigt hätte meine Mutter anzusprechen, was über kurz oder lang zu mir geführt hätte. So aber werde ich nie geboren werden, wegen dem Flügelschlag eines einzigen Schmetterlings. Das ist die sehr bildhafte Beschreibung eines nichtlinearen dynamischen Systems – Chaos. Alles beeinflusst alles. Und aus diesem Grund würde ich allein durch meine Anwesenheit schon Dinge ändern.

Nehmen wir aber an, beides spielt aus irgendwelchen Gründen erst einmal keine Rolle und eine Zeitreise wäre für mich also möglich. Ich säße nunmehr auf dem ­durchlauchten Schoß seiner Erhabenheit und dieser würde mich – mit einiger Berechtigung fragen – wie ich dazu käme. Ich würde lügen. Denn sagte ich die Wahrheit, würde man mir kaum glauben. Und nun bin ich also am Hof des Sonnenkönigs und habe all das Wissen um Dinge, die noch geschehen werden und die hier einfach noch niemand weiß. Natürlich bin ich ­versucht dieses Wissen zu gebrauchen.

Was mich daran interessiert ist die Frage nach dem Urheberrecht. Ich könnte mich doch an das nächstbeste Cembalo setzen und fröhlich Beethovens „für Elise“ oder „Die Mondscheinsonate“ herunterspielen. Alle Welt, ­der König im Besonderen, wären begeistert und ich, ich hätte Beethovens Melodien vorweggenommen. Wären es dann noch seine Ideen? Denn er würde sie ja nie haben, ohne nicht von mir dadurch beeinflusst zu sein.



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Fortsetzung folgt...