Wie ein Kind geweint

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Briefe aus dem Ersten Weltkrieg erlauben persönliche Einblicke 
in das Leben der Soldaten
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Von Hubertus  J. Schwarz      12. Juli, 2014



Hamburg, Deutschland – Wie war das, in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs zu kämpfen? Heute ist niemand mehr am Leben, der über all das Grässliche, die Verzweiflung, die Schmerzen der Soldaten, aber auch die Kameradschaft berichten könnte. Erinnerungen sind erhalten: In Feldpostbriefen und Telegrammen schildern die Frontkämpfer ihren Alltag.

Etwa 28,7 Milliarden Sendungen wurden im Verlauf des Krieges zwischen den Fronten und der deutschen Heimat verschickt. Dazu kam es in den ersten Wochen zu einer Flut sogenannter „Liebesgabenpäckchen“. Darin schickten sorgende Gattinnen und Familien Handschuhe, Pulswärmer, Zigaretten und Lebensmitteln für ihre Männer oder Söhne.

Die unfassbare Menge von Briefen brachte die Poststellen an den Rand ihrer Kapazitäten. Um sie zu entlasten, wurden insgesamt über 600 Postsperren während des Krieges angeordnet. Bis zu sieben Wochen konnten sich die Schreibverbote hinziehen. Verhängt wurden sie aber auch vor Kampfeinsätzen, um keine Angriffspläne zu verraten.

Dennoch sandten die deutschen Soldaten im Durchschnitt 6,8 Millionen Briefe pro Tag. Insbesondere in den verlustreichen, ersten Monaten des Krieges kamen die Kompanieschreiber kaum mit der Postzustellung und den Eintragungen über Tod, Verwundung oder Gefangenschaft der Soldaten hinterher. Nicht zustellbare Briefe wurden mit dem lapidaren Vermerk „tot“ oder „gefallen bei ...“ zurückgeschickt. So erfuhren die Familien häufig auf pietätlose Weise davon, dass ihre Liebsten längst nicht lebten.

Dieses unwürdige Verfahren und die rigiden Zensurbestimmungen schürten erheblichen Unwillen in der Bevölkerung und führten ab 1914 zu endlosen Beschwerden über die Kriegsbedingungen und die Unfähigkeit der Feldpost. Die Feldpostbriefe blieben für die Soldaten über den ganzen Krieg die wichtigste Brücke nach Hause.

Verschüttet. Der Soldat Erich Sidow aus Brandenburg war im Sommer 1918 mit seiner Einheit an dem heftig umkämpften Frontbogen zwischen Compiègne und Noyon stationiert. Er schrieb am 17. August 1918 an seine Frau nach Hamburg:

„Es waren die ersten Schüsse, als ich hoch geschleudert wurde. Erdmassen schoben sich unter mich. Ich war ohne Sinnen in diesem Augenblick. Doch bald kam wieder das Bewußtsein zurück: Verschüttet! Lebendig unter schweren Erdmassen begraben....



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Der vollständige Artikel erschien Im SPIEGEL-Buch:

Der Erste Weltkrieg
Geschichte einer Katastrophe

Annette Großbongardt, Uwe Klußmann und Joachim Mohr (Hg.): Der Erste Weltkrieg, Die Geschichte einer Katastrophe, DVA München 2014

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